Wilfried Meichtrys autofiktionaler Ich-Erzähler breitet in «Nach oben sinken» Anekdoten aus seiner Kindheit und Jugend im Wallis vor uns auf. Die Erinnerungen wechseln sich mit jedem neuen Kapitel ab, was der Lektüre ein flottes Tempo verleiht. Augenzwinkernd und mit viel Humor blicken wir mit ihm zurück in die Vergangenheit, zu Familienfesten, ungewöhnlichen Ritualen, Schatzsuchen und Fantasiereisen. Meichtry, geboren 1965, ist der geborene Erzähler, mit einem hervorragenden Gespür für Pointen und die richtige Mischung zwischen Tragik und Komik. Was seine katholische Erziehung, das generationenüberspannende Schweigen und seine dringlicher werdende Suche nach einem Sinn im Leben mit alldem zu tun haben, erschliesst sich uns nach und nach.
Zu manchen Anekdoten kehrt er punktuell wieder zurück. An der ein oder anderen Stelle hatte ich den Eindruck, sie sind unabhängig voneinander entstanden oder nicht von Beginn an in dieser Reihenfolge gewesen. Allgemein sind sie lose chronologisch angeordnet: gerade bei den ersten Anekdoten aus seiner Kindheit ist nicht immer ganz klar, wie alt genau er da gewesen ist. Aber der Ich-Erzähler wird im Verlauf stetig älter, bis er schliesslich als junger Erwachsener Frieden schliesst mit seiner Herkunft.
Auf den letzten knapp hundert Seiten verliert die Erzählung ihren episodenhaften Charakter und widmet sich stattdessen einem Thema, was ich persönlich etwas schade fand. Humor und Tempo nehmen dort ab, die Erzählung wirkt hier weniger authentisch.
Alles in allem habe ich «Nach oben sinken» mit dem grössten Vergnügen gelesen und bin dankbar, dass mir das Buch von so vielen Seiten empfohlen worden ist.