Bei Joachim Meyerhoffs Büchern darf man immer gespannt sein, was den Titel mit dem Inhalt verbindet. Manchmal kommt es nicht explizit heraus, bis zum Ende des Buches hat man aber eine Idee davon.
Der zweite Band im sechsteiligen autobiografischen Romanzyklus “Alle Toten fliegen” hoch, begibt man sich in die Kindheit von Joachim Meyerhoff. Er und seine Brüder wachsen in einer eher unkonventionellen Umgebung auf. Ihr Haus steht auf dem Gelände einer grossen psychiatrischen Klinik, deren Direktor, selber Psychiater, der Familienvater ist. Joachim brilliert nicht gerade durch eine schulische Intelligenz, was ihm den Spott seiner Brüder einbringt. Ich finde den Jungen aber unglaublich einfallsreich und er macht sich zu allem seine Gedanken, seine kindlichen Schlussfolgerung.
Der Vater hat eine starke Persönlichkeit. Er ist jener, der die Ideen hat und die Mutter ist jene, welche sie umsetzt. Im Lauf dieses Bandes erfährt man auch einiges über die Beziehung der Eltern.
Natürlich kommt auch das Leben mitten unter den Klienten und Klientinnen der Klinik zum Tragen. Dabei habe ich mich allerdings daran gestört, dass fast nur die besonders auffälligen Menschen und deren oft wirklich aberwitziges Verhalten geschildert wird. Natürlich erregt das grösseres Interesse, als über Personen mit stilleren Symptomen zu berichten und es passt halt auch gut zum unterhaltsamen Erzählstil Meyerhoffs.
Der Autor hat eine grosse Gabe, witzig zu schreiben. Beispielsweise, wenn er von der Beziehung seiner Eltern zueinander schreibt, wie er deren “Stimmungslage” an der Stellung der Betten im Schlafzimmer erkennt.
Hin und wieder erhält man auch kurze Abschnitte zu lesen, von denen man bereits im ersten Band - Amerika - gelesen hat, z.B. vom Unfalltod des Bruders. Das Thema ist im 2. Band aber wirklich das Aufwachsen. Die Überschneidungen schaden keineswegs, auch das “Auslaufen” in spätere Zeiten nicht. Es ist mir zu keinem Moment langweilig geworden mit diesem Buch und ich habe es in kurzer Zeit verschlungen. Es hat so viel Witz und ist doch nicht platt. Das Schwere wird durchaus sichtbar, es erhält aber keine Übermacht.
Der Sohn zum Vater: “du musst dich mehr bewegen.” "Ja, sagte mein Vater, zu unserer aller Überraschung, ganz gelassen, “auch damit hast du vollkommen recht. Ich hab mit dem Stethoskops versucht, mich selbst abzuhören. Ich hab mein Herz nicht gefunden. Das arme Din! Lebendig begraben unter Tonnen von Fett. Liegt da irgendwo in mir in der Finsternis, ein verschüttetes Lawinenopfer, und wartet auf Rettung. ”