In „Tabak und Schokolade“ nimmt Martin R. Dean die Leser*innen mit auf eine vielschichtige Reise durch Zeit, Kulturen und persönliche Erinnerungen. Der Fund eines Fotoalbums nach dem Tod seiner Mutter wird zum Ausgangspunkt für eine intensive Spurensuche: Dean kehrt zurück nach Trinidad und Tobago, dem Ort seiner frühen Kindheit, und verwebt seine Familiengeschichte mit den grossen Themen von Kolonialismus, Migration und Identität.
Seine Mutter, eine abenteuerlustige Frau aus dem Schweizer Aargau, verliess ihre Heimat und gelangte über London in die Karibik. Doch das Leben dort war geprägt von Herausforderungen. Schliesslich floh sie mit ihrem kleinen Sohn vor Deans indigenem, gewalttätigem Vater zurück in die Schweiz. Dort fand sich Dean als Aussenseiter wieder – als Kind dunkler Hautfarbe in einer von subtilen Vorurteilen geprägten Gesellschaft. Mit eindrücklicher Sprache zeichnet Dean die Schicksale seiner Mutter, seines Vaters und seiner Grosseltern nach, beleuchtet aber auch grössere Zusammenhänge wie die Ausbeutung durch den britischen Kolonialismus und die sozialen Spannungen zwischen indischen und afrikanischen Bevölkerungsgruppen in der Karibik.
Besonders stark sind die intimen und oft schonungslosen Einblicke in seine Familie, wie sie das prägnante Zitat „Familien sind keine safe spaces, sondern oft schlecht beleuchtete Terrorzellen“ auf den Punkt bringt. Doch die Themen reichen weit über das Private hinaus: Von Alltagsrassismus in der Schweiz bis zu den Lebensbedingungen der indischen Kontraktarbeiter auf Trinidad spannt Dean einen weiten historischen Bogen. Dean erzählt mit sprachlicher Präzision, doch der Detailreichtum und die Fülle an Figuren können manchmal fordern.