Dieses Buch empfehle ich allen Mitt-Zwanziger-Leuten, und Menschen in einer Beziehung mit grossem Altersunterschied, und auch allen Personen, die jemals einen geliebten Menschen verloren haben.
Das Buch hat mich auf mehreren Ebenen begeistert. Es besticht durch Vielschichtigkeit. Mir fehlen auf dem Büchermarkt Liebesromane für ein Publikum in den Zwanzigern. Ich interessiere mich (noch?) nicht für einsame, romantische Frauen und Midlife-Crisis Männer in den Vierzigern, nicht f¨ür Ehekrisen und auch nicht mehr für Jugendbücher mit Highschool-Problemen. Diese Lücke kann Akwaeke Emezi mit ihrem Buch definitiv füllen.
Das Hauptthema des Buches ist Trauer. Ich finde, die Auswirkungen von Trauer auf Menschen, und wie sie einen älter innerlich altern lässt, wurden eindrücklich und zugleich auf zugängliche Weise in die Erzählung eingeflochten. Zuerst weiss man als Leser/in nicht, was überhaupt geschehen ist, und taucht nach und nach in die Vergangenheit der Hauptperson ein. Man kann sich gut in sie hineinversetzen.
Das Lesevergnügen besteht zum Teil aus starken Cliffhangern. Beispielsweise weiss man als Leserin bis zur Eröffnung der Kunstausstellung nicht, was eigentlich genau ausgestellt wird, während verschiedene Charaktere ihre Bewunderung zum Werk ausdrücken. Diese Cliffhanger sind gut gemacht, passen zur Handlung, und das Leseerlebnis ist kurzweilig. Nebst der Trauer ist das zweite (inoffizielle) Hauptthema des Buches allerdings Sex, was meiner Meinung nach eeeetwas zu Viel des Guten war. Es ist einer der Cliffhanger, der sich durch fast das ganze Buch zieht, was eigentlich ok sein kann - es geht ja schliesslich um eine Romanze. Aber ich finde, dafür dass es einer dieser gut ausgesuchten Cliffhanger ist, hängt dann zu wenig Bedeutung damit zusammen, als er aufgelöst wird.
Ausserdem gefällt mir die Wahl der Sprache sehr. Stellenweise ist die Sprache sehr poetisch und macht Abstraktes sichtbar. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir der Ausdruck “the air warped around him”. Gleichzeitig haben die meisten Charaktere einen relativ herben Umgangston, da sind “fuck” und “nigga” praktisch Alltag. Diese beiden Sprachen passen unerwartet gut zusammen, weil sie geschickt kombiniert wurden, und so ein Bild des sozialen Umgangs in verschiedenen Situationen widerspiegeln. Ausserdem setzt die Sprache das poetische Innenleben der Protagonistin ihrem herben Ausdruck entgegen.
Ausserdem mag ich, wie Themen wie Bisexualität oder Arbeit an psychischen Herausforderungen eingeflochten werden. Ich habe erst wenige Bücher gelesen, welche LGBTQ+ erwähnen und es gleichzeitig nicht zum Hauptthema des Buches machen. Es ist auch das erste Buch, wo nebenbei erwähnt wird, dass man einen Termin bei der Psychologin habe - ohne dass man depressiv ist oder so. Da findet eine Art Re-Framing statt, also ein Umdeuten von verschiedenen bereits bekannten Themen. Dieses Normalisieren finde ich erfrischend.
Die Autorin schien ihr Werkzeug genau zu kennen - die Sprache, das Storytelling, und ihre Perspektive auf die Welt. Aufgrund dieses Leseerlebnisses werde ich gerne noch mehr Bücher dieser Autorin zu lesen.