Ein Austauschjahr in Amerika - Erinnerungen
Es waren lauter gute Lesestunden. Mit viel Geschick beschreibt Joachim Meyerhoff autobiografisch sein Austauschjahr in Laramie, einer kleinen Stadt in Wyoming. Als junger Mann, der einfach mal weg will von allem Gewohnten, von seiner Familie - die er gern hat - von der Schule, in der er nur mässig Erfolg hat - sogar dass er seit kurzem eine Freundin hat, hält ihn nicht zurück. Etwas anderes erleben, das muss es sein.
Es ist sehr vergnüglich, den jungen Mann zu begleiten, von dem Moment an, wo er für die Zulassung geprüft wird, über die Reise, seine Ankunft, seine Gastfamilie, die Schule und schliesslich die Rückkehr. Da geschieht eine ganze Menge. Damit, dass er bei der Aufnahme den Fragebogen nicht so ausfüllt, wie es ihm eigentlich entsprechen würde, sondern so, wie er sich vorstellt, dass es am besten ist, wird er entsprechend “bedient”. Mit einem Ort, an dem kalt ist, sehr hoch gelegen, abgelegen und in einer tief religiösen Familie. Er gewöhnt sich gut ein und wird richtig heimisch. Ein tragischer Todesfall - sein mittlerer Bruder kommt bei einem Autounfall ums Leben - wird ihn zu einem Unterbruch in seinem Aufenthalt bringen. Er ist froh, wieder zurück nach Laramie fliegen zu können, weg von der grossen Trauer. Seinen grossen Traum, Basketball zu spielen, kann er verwirklichen, das grösste Ziel für ihn für dieses Austauschjahr.
Mit der Rückkehr nach Deutschland zu seiner Familie, zu seiner Schule schliesst das Buch - das erste aus einer Reihe von sechs Bänden, die ich sicher noch lesen werde. Die Reihe wird das Portrait von Joachim Meyerhoff, dem Schauspieler und Regisseur vervollständigen. Ich bin neugierig geworden auf mehr.
- Ich kannte nur Toastbrot getoastet, einfach mit Butter und Schinken oder mit Marmelade. Aber das Toastbrot nicht zu toasten, sondern weich und weiss zu lassen, und nicht nur zwei Brotscheiben aufeinanderzulegen, sondern drei, und das Ganze dann nicht einfach in der Mitte durchzuschneiden, sondern eben von einer Ecke zur anderen, zu zwei dicken Dreiecken, das war eine Verheissung, dass alles durch ganz wenig ganz anders sein konnte. Mir kam mein ganzes bisheriges Leben viereckig vor und nun endlich, endlich, sollte sich etwas ändern. Durch einen einfachen, aber jegliche Form verändernden Schnitt.
- Der einzige Besuch, der kommen durfte, war ein Mann vom Beerdigungsinstitut. Wir assen staubtrockene dänische Kekse und er erklärte uns mit seiner professionellen Betroffenheitsstimme, teilnahmsvoll und doch sachlich, die nötigen Formalitäten. Als er weg war, mussten wir alle lachen, weil mein Bruder ihn perfekt nachahmen konnte: “In dieser traurigen Stunde möchte ich Ihnen mit meiner langjährigen Erfahrung zur Seite stehen.” Und dann wieder alle weinen, weil uns klar wurde, dass meinem mittleren Bruder das auch sehr gefallen hätte. Innerhalt von nur zwei Wochen frass sich die Trauer in jede Ritze des Hauses hinein.