…aber nicht das von Charles Lewinsky gewohnte Lesevergnügen. Das liegt einerseits an seinem mir wenig sympathischen Protagonisten und seinen Entscheidungen – die die Handlung auf den Höhe- oder Tiefpunkt (?!) hin zuspitzen, bei denen ich jedoch oft die Hände über dem Kopf zusammenschlagen wollte –, aber vor allem an den von der KI geschriebenen Einschüben und der vorhersehbaren Handlung.
Vielleicht kurz zum Aufhänger der Handlung: Ein Mann, Anfang 40, scheinbar wenig attraktiv, eher unsicher und als Werbetexter mit Spezialisierung auf Frühstücksmüsli tätig, wird von einer Frau verlassen, die ihm zum Abschied noch mitgibt, dass er dank Programmen wie ChatGPT ohnehin bald arbeitslos sein wird. Im Nachhinein ist ihm klar, dass sie nie wirklich Interesse an ihm hatte. Er befasst sich erstmals mit ChatGPT und lässt sich von der KI Texte mit einer weiblichen Hauptfigur schreiben, um «Rache» zu üben.
Die gute Nachricht: die KI-generierten Texte sind wirklich nichts, wovor sich Autor*innen (derzeit) fürchten müssten. Die schlechte: Es macht wenig Freude, sie zu lesen (ich habe sie immer öfter übersprungen). Die KI-generierten, kursiv geschriebenen Einschübe fragmentieren die Geschichte, die ohnehin regelmässig vom Ich-Erzähler unterbrochen wird, weil er sich selbst kommentiert oder von Alter-Egos kommentieren lässt.
Wir bleiben den ganzen Roman über eng beim Ich-Erzähler, der Trost/Vergeltung sucht in seinem digitalen Tagebuch. Seine Umwelt erfahren wir nur über ihn, Gespräche werden meist indirekt wiedergegeben. Anfangs musste ich über seine bissigen Selbstbetrachtungen schmunzeln, jedoch verlor sich das in seiner zunehmenden Beschäftigung mit der KI und seinen dort ausgelebten Fantasien.
Thematisch finde ich es hochinteressant und vielseitig. Wir erfahren, was mit Programmen wie ChatGPT und DeepL schon alles möglich ist, woran sie aber (noch) an ihre Grenzen stossen. Unser namenloser Ich-Erzähler verfasst Werbetexte, Bücher und Bewerbungsschreiben damit, lässt Namen für Moselweine kreieren und sich zunehmend von der KI beraten.
Lewinskys Roman beleuchtet zudem das Feld der «Fake News» und sensibilisiert uns für einen kritischen Umgang mit Informationen. Wie schnell können wir gerade heute getäuscht werden. Sein Ich-Erzähler macht es uns vor.
Ein Roman, der sich für Diskussionen über Fake News, ChatGPT und Incels anbietet, aber ich kann nicht sagen, dass ich ihn gern gelesen habe.