Arno Geiger beschäftigt sich in «Reise nach Laredo» mit dem Sterben. Sein Protagonist, Kaiser Karl V. hoffte nach Rücktritt von seinen Ämtern in Yuste, Spanien, Frieden schliessen zu können mit seinem Leben. Wir erleben mit ihm seinen letzten Tag auf Erden. Das Sterben verlegt Geiger, als Erzähler in der dritten Person, ins Reich der Träume. Dort tritt Karl, zusammen mit seinem unehelichen Sohn, eine letzte Reise nach Laredo an.
Geiger scheint sich bei Auswahl und Beschreibung seiner Figur an die historischen Fakten gehalten zu haben. Die Reise nach Laredo jedoch entspringt seiner Fantasie. Wir merken gleich, dass Karl nicht tatsächlich auf dem Weg ist. Er machte zuvor nicht den Eindruck, noch irgendwohin gehen zu können. Auch das diffuse Wetter (zu Anfang hat es schon fast aufgehört zu regnen, wenige Absätze später regnet es leicht weiter, dann steigt Karl von einer Kutsche und hat Wasser in den Stiefeln) und die unklare zeitliche Dauer sind Indikatoren. Auf dem Weg zur Toten Stadt sehen sie öfter sterbende Tiere, deren Innereien hervorquellen, auch an einem Galgen kommen sie vorbei und Karl selbst in seiner schwarzen Trauerkleidung wird von einem Wirt gleich mit dem Tod assoziiert.
Der Roman gibt viel Raum zum Diskutieren, Interpretieren und Analysieren. Mir jedoch war er zu trübsinnig. Geigers gemischter Sprachstil hat mich auch nicht begeistern können: einerseits gewählt, leicht altertümlich, oft derb und andererseits mit modernen Ausdrücken verwirrend («vollquatschen» wird an einer Stelle verwendet, wenn ich mich recht erinnere; ausserdem wird Karl am Ende bescheinigt, er sei ein «klasser Kerl» und das gleich zwei Mal hintereinander, es handelt sich somit um Absicht). Die Traumreise gleicht spätestens ab dem Aufenthalt in der Toten Stadt mehr einem nicht enden wollenden Alptraum, die Beschreibungen wiederholen sich gerne, fügen der Geschichte jedoch nichts Neues hinzu, und die wenigen Dialoge der Figuren führen teils aneinander vorbei, teils ergeben sie wenig Sinn bzw. verlieren sich in Phrasen («Deine Geschichte wird den Sieg davontragen.» «Ich verstehe nicht.» «Egal. Weil es so ist. Alles Gute! Pass auf dich auf.»).
Wie gesagt, es liesse sich viel interpretieren: Vielleicht stehen die leeren Phrasen für unseren Umgang miteinander, vielleicht ist Karls Ich-Bezogenheit symptomatisch für unsere Gesellschaft, vielleicht schlagen die modernen Ausdrücke eine Brücke zu unserer Zeit und was macht der Greif in der Geschichte? Wer gerne über das Gelesene diskutiert, findet hier vermutlich reichlich Themen. Mich persönlich hat «Die Reise nach Laredo» jedoch ermüdet, ich verlor mehrfach den Faden und es hat mich insgesamt nicht überzeugt.