… der sich an reale Finanzereignisse der Jahre 1990-2008 anlehnt.
Ein allwissender Erzähler nimmt uns von Beginn an die Hand, stellt uns verschiedene Figuren vor und erklärt uns die Sachlage von ihrem Ende her: A., eine unauffällige Frau mittleren Alters, entscheidet sich 2007 für ihre Festnahme und steht später vor Gericht. Doch warum genau? Was wird ihr zur Last gelegt? Und wer ist sie eigentlich?
Unsere Erzählfigur, die sich später als kollektives «Wir» entpuppt, springt zurück ins Jahr 1990, in dem A. vor einer Entscheidung stand: Karriere zu machen bei einer Bank in Zürich oder das Leben seinen Lauf nehmen lassen und den Jugendfreund heiraten, in die Einliegerwohnung bei den Eltern einziehen, Kinder kriegen, ein Haus bauen und sich irgendwann fragen, wie sie dorthin gekommen ist. A. geht nach Zürich, doch auch dort stellt sie nach einer Weile fest, dass ihrem Ehrgeiz in den bestehenden Strukturen die Hände gebunden sind. Das ist der Punkt, an dem sie ihrer Kreativität und Cleverness freien Lauf lässt.
«Die Spielerin» ist zunächst einmal ein unheimlich spannendes Porträt einer Frau in unserer Gesellschaft. Denn vor A.s erster Entscheidung stehen die meisten Frauen irgendwann. Fraglich ist, ob wir die Entscheidung als solche erkennen und bereit sind, sie in A.s Konsequenz zu leben. Faszinierend sind auch die verschiedenen Perspektiven, die wir im Roman einnehmen und die uns stets ein anderes Bild von A. zeigen. Sie selbst schweigt und trotzdem entsteht das Bild einer bemerkenswerten Persönlichkeit, die ich trotz ihrer Skrupellosigkeit bewunderte.
Der zweite ungemein spannende Aspekt ist die Wirtschaftskriminalität. Im Grunde geht es darum – unklare Formulierungen mögen mir verziehen werden –, wie das profitorientierte Denken der Banken – und ihrer Kundschaft – schon seit Jahrzehnten zu immer komplexeren und risikoreicheren Finanzprodukten führt und wie Krisen billigend in Kauf genommen werden. Warum? Weil Banken trotz allem vergleichsweise sicher sind. Wie das Ganze im Detail funktioniert, erklärt Isabelle Lehn uns zwischenzeitlich auch, aber ich kann nicht behaupten, alles verstanden zu haben, was jedoch an mir liegt.
Fazit: Tolle Struktur, die erst nach und nach einen Gesamtblick auf die Ereignisse ermöglicht und uns zuvor lange im Dunkeln lässt. Zudem mit Wirtschaftskriminalität ein fesselndes, gut recherchiertes und immer noch aktuelles Thema. Und mit A. eine fragwürdige und trotzdem bewundernswerte Hauptfigur.