Therapeut*innen hätten vermutlich ihre wahre Freude an den Titeln, die mich so spontan ansprechen…
Warum aber möchte unsere Ich-Erzählerin Wein trinken? Maria ist habilitierte Übersetzerin, verheiratet mit Uni-Professor Gernot, wohnhaft in einem Häuschen mit Garten auf dem Land in Mecklenburg, Mutter zweier kleiner Kinder und seit Geburt ihrer Tochter Hausfrau. Nach gängigen gesellschaftlichen Standards lebt sie ein glückliches Leben. Doch sie ist es nicht. Das Innen und Aussen passen schon lange nicht mehr zusammen. Zur Zeit sitzt sie in einem Hotelzimmer und arbeitet an der Übersetzung von Briefen, die gute hundert Jahre alt sind. Sie beginnt, den Menschen in den Briefen ihr Leben zu schildern, ihre Zerrissenheit.
Slata Roschal lässt Maria in einem konstanten Bewusstseinsstrom erzählen. Auf Fragezeichen verzichtet sie vollständig, auf Kommata und Punkte zu einem späteren Zeitpunkt ebenso. Wie Marias Gedanken wandern, sich im Grübeln verlieren, wie sie ihre Emotionen in Worte fasst ist direkt, unverblümt, manchmal verwirrend, bedrückend und entwickelt einen starken Sog. Anfangs scheint sie in Gedanken mit ihrem Mann zu sprechen, nach der Lektüre des ersten Briefes mit den ihr unbekannten Auswanderern.
Entstanden ist ein gesellschaftskritisches, schonungsloses Werk über das Mutter- und Frausein, das sicher nicht unisono für alle Frauen spricht, aber doch vielen hilft, sich mit ihren eigenen widersprüchlichen Gefühlen auseinanderzusetzen.