An «Brown Girls», dem Debüt von Daphne Palasi Andreades, haben mich vor allem die Form und die vielfältigen Erfahrungen fasziniert. Sie schreibt in der ersten Person Plural, also im «Wir», was unzählige Lebensentwürfe ermöglicht. Ihrem «Wir» ist gemein, dass es sich um Mädchen/Menschen of Color handelt, die, anfangs zehnjährig, in Queens gegen Ende der 90er aufwachsen. Ihre Eltern sind aus Ländern Lateinamerikas, Indien, Pakistan, den Philippinen,… ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten eingewandert, um den eigenen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Aber was bedeutet das für unsere Protagonistinnen? Wie sieht ihr Alltag aus? Welche Erwartungen werden an sie gestellt? Von der Familie, der Gesellschaft? Vor welchen Widersprüchen stehen sie? Welche eigenen Träume haben sie? Welche Erfahrungen machen sie?
Die Kapitel sind kurz, teils nur zwei Seiten lang, und behandeln immer ein bestimmtes Thema. Wobei die Autorin zu manchen mehrmals zurückkehrt, beispielsweise in einem neuen Lebensabschnitt. Denn zusätzlich zu den Kapiteln hat sie ihr Werk auch unterteilt. Und so begleiten wir unsere Kollektivprotagonistinnen beim Wechsel an die High School, zum ersten Date, ans College, in die erste feste Beziehung, in den Beruf, stehen ihnen bei Krisen bei, treffen mit ihnen die Wahl für oder gegen Kinder, gehen mit ihnen zurück ins Land der Eltern, erleben Rassismus, sehen sie hadern ob ihrer sexuellen Orientierung und begleiten sie bis zum Tod.
Was und wie Daphne Palasi Andreades alles für uns erlebbar macht, ist für mich schon Grund genug, das Buch wärmstens zu empfehlen. Hinzu kommt die rhythmische Sprache, die von gezielten Wiederholungen strukturiert wird, in die fremdsprachige Ausdrücke und Schriftzeichen einfliessen, die eine Lebendigkeit und einen Trotz versprüht und später dann Verständnis, ein bisschen Wehmut – wie es so ist, wenn wir älter werden und plötzlich Dinge mit anderen Augen sehen. Cornelius Reiber hat den Text zudem auf beeindruckende Weise ins Deutsche übertragen, finde ich.
«Brown Girls» ist ein Buch von gleich doppelter Relevanz: Es lässt uns eine noch zu seltene Perspektive einnehmen und somit andere Erfahrungen nachvollziehen und überzeug mich darüber hinaus mit einem originellen, unverwechselbaren Stil.