+ Das Zitat
„Wir träumen von einem Sizilien, vor dem die Sizilianer fliehen. Wir sind die Schlimmsten von allen: Eroberer eines Landes, das es nicht mehr gibt; Kolonialisten, die geliebt werden wollen.“
+ Die Thematik
Konrad ist per Fähre auf dem Weg nach Sizilien, wo er und sein Partner Adriano ein Haus besitzen. Mit im Gepäck in einer alten Rasiercreme-Dose ist die Asche seines kürzlich verstorbenen Partners.
Konrad muss mit seiner Trauer klarkommen, seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufräumen. Er will das Haus auf Sizilien verkaufen.
Mehrere Wochen verbringt auf der sagenumwobenen Mittelmeerinsel und versucht, mit sich selbst und der Welt ins Reine zu kommen (bzw. mal eine Rückkehr in einen Alltag zu finden). Aber Sizilien wird ihn nicht ohne weiteres loslassen.
+ Zum Mitnehmen
Ein wuchtiges Buch über Ort/Space und seine Relevanz in unser aller Leben. Seit meinem Studium (third spaces in literature als MA-Arbeit) begleitet mich dieses Thema und dieser Roman ist GRANDIOS in seiner Ausarbeitung und Balance von Space und persönlicher Vita/Leid der Charaktere.
+ Kritik
Adriano Sacks Roman ist unfassbar gut. Konrads Umgang mit Adrianos Tod (interessanter Aspekt, dass der verstorbene Partner im Roman der Namensvetter des Autors ist…) wird mit einer wahnwitzigen Intensität und einer fantastischen sprachlichen Virtuosität erzählt.
Die sprachliche Wucht zeigt sich insbesondere im gekonnten Wechsel und Spiel zwischen Subtilität und „mitten in die Fresse“, Leben und Tod, Entstehen und Vergehen, Traurigkeit und Humor.
Sizilien und sein Mythos, seine Vergangenheit, seine Gegenwart und seine Probleme sind dabei mehr als nur Setting. Nicht umsonst hat der Roman den Stadtnamen „Noto“ zum Titel, eine mehr als passende Wahl.
Die Sinnlichkeit des Romans ist überragend. Trotz all der Gefühle, der Traurigkeit und der Melancholie wirkt weder Geschichte noch Stil jemals plump oder kitschig.
Im Gegenteil: Der Roman ist äusserst (lebens-)klug und fasziniert nebst seiner sinnlichen Melancholie mit vielen skurrilen Anekdoten, wunderbaren Ortsbeschreibungen und tollen Metaphern.
Ein Buch, das sich nie in Stereotypen verliert, sich eine Ambiguität erhält, keinen moralischen Zeigefinger hebt.