Ich mag, wenn Science-Fiction ins Detail geht. Es darf auch mal anstrengend sein. Aber 1700 Seiten dieser Art hinterlassen ihre Spuren. Ja, ich ziehe meinen Hut vor Lius astrophysischem Wissen, insbesondere weil er es in eine auch für Laien einigermassen verständliche Form herunterbrechen kann. Ich darf sogar sagen, dass die Lektüre mir richtig, richtig Lust auf Astrophysik machte - wäre da nicht der unüberwindliche Monolith namens Mathematik… Aber sei’s drum.
Was Liu dann alles auf Basis des wissenschaftlich Bekannten an Erfundenem draufpackt - hier wird es richtig interessant, und es ist eine der grossen Freuden, die das Genre uns geben kann: Unseren Horizont in ungeahnte Richtungen zu erweitern. Und Liu hat eine Menge an Erweiterungen zu bieten!
Wie steht es nun aber um die Geschichte? Die wird m.E. von Buch zu Buch schwächer, was aber nicht schlimm ist! Denn je länger ich an der Trilogie las, desto eher erschien mir die Geschichte selbst wie eine Art Trägersubstanz, die neben dem wissenschaftlichen Korpus vor allem Anstösse und Kommentare zur Menschheit als ganzer und insbesondere in Bezug auf Geschichte (History) und das Universum liefert. Liu sagt zwar explizit im Nachwort, dass ein zeitgenössischer Kommentar nicht seine Absicht sei, aber was wir Lesende letztendlich aus einem Text ziehen, darauf hat der Autor nur begrenzt Einfluss.
Nun aber doch noch was zur Geschichte. Was ich sehr schätze, ist, dass sie durchgehend unvorhersehbar war - mit der Ausnahme, dass man irgendwann merkt, dass Liu nur allzu gerne die Erwartungshaltung sowohl seiner Figuren als auch seiner Leserschaft verletzt. Insofern ist man irgendwann darauf vorbereitet, enttäuscht (im Sinne vom Ende der Selbsttäuschung) zu werden.
Auch merkt man irgendwann, dass Liu nicht lange bei seinen wirklich grossen Wendungen verweilt; sie geschehen plötzlich, fast nebenbei, und die Geschichte läuft dann munter weiter, während man gedanklich fassungslos noch bei den vorherigen Seiten verbleibt.
Die Stelle, die mich so richtig verblüfft hat, irgendwo vor der Hälfte des zweiten Buches - auf die war ich nie und nimmer vorbereitet. Nach all der Science und Fiction, die Liu auffährt, bringt er plötzlich aus dem Nichts auch noch etwas Romantisches rein - da hat es mir die Sprache verschlagen, das hat mir den Schlaf geraubt!
Die Trilogie ist in jedem Fall eine Tour de Force, die ich jedoch genossen habe. Vielleicht hätte ich sie mir auch einteilen sollen anstatt am Stück zu lesen…