Dieses Bilderbuch startet schon auf dem Einband: Vorne sehen wir ein Haus, aus dessen Tür bei Tag ein Mädchen und aus dessen Turmfenster uns ein Gespenst anschauen. Auf der Rückseite ist es Nacht und nun schaut das Mädchen aus dem Turmfenster und das Gespenst aus einem Fenster im Erdgeschoss. Wir sehen also gleich von Anfang an: Da ist tatsächlich ein Gespenst im Haus. Dazu passen die zahlreichen Gespenster, die über das Vorsatzpapier schweben. (Am Ende ergibt sich bei den schwebenden Gespenstern jedoch eine Veränderung; auch in der Hinsicht erzählt Jeffers seine Geschichte über den Innenteil hinaus.)
Das Mädchen vom Einband lädt uns zu Beginn ein, mit ihr auf Gespenstersuche zu gehen. Der Clou: Wir sehen die Gespenster, sie jedoch nicht. Wie macht Jeffers das? In der Regel sind seine Doppelseiten so angeordnet, dass wir links ein Foto des real existierenden, leicht altmodisch wirkenden Herrenhauses in Sepia- oder Grautönen sehen, die auf Leinwand gedruckt zu sein scheinen. Darauf malt Jeffers seine blau-grüne Ich-Erzählerin, deren Kleid gelbe Querstreifen aufweist, die vor dem Hintergrund wunderbar leuchten. Rechts haben wir auf weissem Grund den jeweils knappen Text in grossen, leicht verspielten Druckbuchstaben mit Serifen sowie kleine Bleistiftzeichnungen eines Möbelstücks o. Ä. unten rechts in der Ecke. Zwischen Fotografie links und Text rechts befindet sich jedoch eine transparente Seite, die, wenn wir sie auf die Fotografie legen, einen oder mehrere Geister sichtbar macht. Es macht unfassbar viel Spass, die Geister zu suchen und zu entdecken, auch weil wir nie wissen, wie viele es auf der nächsten Seite sein werden, und weil Text und Bild sich von Anfang an widersprechen. Wenn unsere namenlose Ich-Erzählerin mit uns das Zimmer wechselt, wobei sie uns von Beginn an anschaut und direkt anspricht, bekommen wir auf einer grauen Doppelseite den Weg zu sehen, sowie Ausschnitte der am Weg liegenden Zimmer (wieder Fotografien). Auch Gegenstände wie Uhren oder Kommoden, die den Weg säumen, sind als Fotografien eingefügt, werden aber durch Fineliner-Zeichnungen ergänzt (eine Lampe auf der Kommode, ein Lichtschalter, eine Leiste etc.). Spannung baut Jeffers auch auf, indem Sätze erst auf der nächsten Seite zu Ende geführt werden.
Was leicht vom Erzählfluss ablenkt, das sind die sachlichen Erklärungen, die teilweise unter den Fotografien stehen. Die würde ich beim eigentlichen Vorlesen überspringen.
Das fadengebundene, hochkante Buch ist in einen robusten, glatten Festeinband eingefasst.
Der Stil mit den Fotografien und das Spiel mit den (mangelnden) Farben mag nicht allen gefallen. Jedoch sorgt er damit auch für die passende Atmosphäre. Die Tatsache, dass seine Erzählerin mit ihrer blau-grünen Haut leicht fantastisch aussieht, sorgt bei jüngeren Kindern für die nötige Distanz, sodass sie sich ganz der genüsslichen Suche nach den verspielt und harmlos aussehenden Gespenstern widmen können. Und das bereitet auch den erwachsenen Vorlesenden ungeheuer viel Vergnügen! Ich freue mich jedenfalls schon sehr, es bei Gelegenheit Kindern ab 6 Jahren vorlesen zu dürfen.
Aus dem Englischen von Katharina Naumann.