Matt Haig erzählt in seinem bereits 2010 erstmals auf Deutsch erschienenen Roman die Geschichte von Helen und Peter, einem abstinent lebenden Vampir-Ehepaar, dessen beide Teenager-Kinder, Clara und Rowan, keine Ahnung haben vom Wesen ihrer Eltern oder ihrer selbst. Das ändert sich jedoch schlagartig eines Nachts – und damit fangen die Probleme an.
Nach der Beschreibung des Klappentextes hatte ich eine absurde, skurrile und vor allem brüllend komische Geschichte erwartet. Das hat sich nicht ganz erfüllt.
Die Haupthandlung beginnt an einem Freitag und endet am darauffolgenden Montag. Haig schreibt als allwissender Erzähler jedes Kapitel im Wechsel aus der Sicht einer seiner verschiedenen Figuren. Die Kapitel sind entsprechend kurz, die Wechsel kommen rasch und wir bekommen schnell einen guten Überblick über die Welt von Bishopthorpe, in die wir hier eintauchen. Zwischen die Kapitel schiebt Haig Auszüge aus dem «Handbuch für Abstinenzler», dem praktischen Leitfaden für Vampire, die ihrem Blutdurst entsagen wollen. Darin lässt sich beispielsweise nachlesen, wie sich die körperliche Lust ohne Blutgier ausleben lässt (auch bekannt als «Zahnlose Begierde»). Die Auszüge haben mich immer wieder schmunzeln lassen, ebenso die Beschreibungen von Rowans selbstgewählten Aufsatzthemen in der Grundschule. Der Vampirthematik liegen jedoch ernstere Themen zugrunde, u. a. Anderssein, Mobbing, Eheprobleme, wie wir unsere Träume verwirklichen und unser Leben leben, ohne uns beim Anpassen an die Gesellschaft völlig zu verbiegen. Entsprechend ruhig und ernsthaft erzählt empfand ich die Geschichte auch mehrheitlich, was eben dann nicht ganz meinen anfänglichen Erwartungen entsprach. Daher war ich anfangs bei der Lektüre auch etwas enttäuscht.
Aber beim Nachdenken über “Die Radleys” stellte ich fest, dass sich da schon zeigt, was auch Haigs Mitternachtsbibliothek ausmacht, nämlich seine philosophische Erzählweise. Auch wenn die Radleys noch nicht ganz mit seinem Bestseller zu vergleichen sind, so bietet sich nach der Lektüre noch jede Menge Gelegenheit zum Nachdenken, auch über das eigene Leben: Lebe ich das Leben, das ich mir mit Anfang 20 erträumt habe? Wie sieht für mich die perfekte Balance aus zwischen Verantwortung und Selbstverwirklichung? Wie gehe ich mit Trauer und Verlust um, gerade auch, wenn ich noch die Verantwortung für Kinder habe? Und wofür könnte die Vampirthematik noch stehen?
Fazit: Weder vom Klappentext noch vom Namen des Autors beeinflussen lassen, stattdessen einfach lustvoll abtauchen in eine Vampirgeschichte der anderen Art und entweder einfach nur unterhalten lassen oder hinter die Fassaden schauen, auch die eigene.