Wenn eine Frau früher unverheiratet war und demzufolge auch kinderlos blieb, blieb sie zeitlebens ein „Fräulein“. Daniela Kuhn hat 12 ledige Frauen im Altersheim Klus Park in Zürich porträtiert. Zum Zeitpunkt der Bucherarbeitung waren die Frauen 77 bis 99 Jahre alt. Die Erinnerungen sind nicht immer nur schön, denn wer so alt ist, hat auch eine Menge erlebt und durchlebt.
Erster Eindruck: Auf dem Cover ein Schnappschuss einer der porträtierten Altersheimbewohnerinnen – gefällt mir; einfach und schnörkellos, so wie der Buchtitel.
Nachdem ich bereits mit grossem Interesse „Eingesperrt, ausgeschlossen: Besuchs- und Ausgehverbot in Heimen – 17 Bewohner und Angehörige erzählen“ gelesen habe, war ich sehr auf das vorliegende Buch gespannt. Hier nur ein paar Auszüge:
Frida Vollenweider hat in einer Pflegerinnenschule in Zürich die Lehre absolviert. Sie wohnte auch dort. Vier Mal im Jahr durften die jungen Frauen abends länger als bis zehn Uhr fortbleiben. Nur vier Mal – heute unvorstellbar. Anfang der 1950er Jahre nahm sie eine Stelle in Lima an – die Reise war sicherlich sehr beschwerlich. „Ich bin nicht lebensmüde, aber ich bin lebenssatt.“
Adelheid Senn wollte etwas von der Welt sehen. So arbeitete sie z.B. 1965 während eines viermonatigen Rotkreuz-Einsatzes im Jemen, wo Bürgerkrieg herrschte.
Susi Hunger hat seit Geburt grosse körperliche Einschränkungen. Als Kind musste sie monatelang in der „Anstalt für krüppelhafte Kinder“ bleiben. Die Bezeichnung jener Institution: früher normal – heute unmöglich.
Antonia Rossi ist ins Altersheim eingetreten, als ihr Kurzzeitgedächtnis stark nachgelassen hat, denn sie wollte niemandem zur Last fallen. „Hier bin ich umsorgt, versorgt, entsorgt – Sie können das schreiben, alles stimmt!“
Als ich Mitte der 1990er Jahre als junge Frau eine neue Wohnung bezog, war „Fräulein“ bereits nicht mehr gebräuchlich. Aber die Vermieterin sagte mir, dass meine Nachbarin gleich nebenan, das „Fräulein X“ sei und sie sehr Wert auf diese Anrede lege. Nun gut, ich dachte mir, dass das auch eine junge Frau sei, aber dann habe ich sie am nächsten Tag getroffen: sie war Anfang achtzig! Okay, ja, da sie die Anrede Fräulein explizit wünschte, habe ich sie auch so angesprochen. Als sie jung war, war das schliesslich die gängige und auch einzig korrekte Ansprache für eine unverheiratete Frau. Früher normal, obwohl es ja nie das männliche Pendant „Herrlein“ (o.ä.) gab…
Es war sehr schön, von den Frauen kleine Einblicke in ihr langes Leben zu erhalten. Von mir gibt es 5 Sterne.