Was würde passieren, wenn Frauen die ganzen un- und schlecht bezahlten Jobs nicht mehr ausüben würden? Wenn sie sich einfach wortlos hinlegen und nichts mehr machen würden? Wie würde die Welt reagieren?
Mareike Fallwickl spinnt genau diese Gedanken in ihrem Roman «Und alle so still» weiter. Wir begleiten Krankenschwester Ruth, Influencerin Elin und Nuri, der sich mit zahlreichen Jobs über Wasser zu halten versucht, durch eine Woche, in der die Welt aus den Fugen gerät. Was dabei zuerst auffällt, sind die Perspektivwechsel. Fallwickl beginnt in der Ich-Perspektive aus Sicht einer Pistole zu erzählen, bevor sie sich als allwissende Erzählerin ihren drei Protagonist*innen zuwendet. Es gibt aber noch zwei weitere Ich-Perspektiven: die Gebärmutter und die Berichterstattung. Hinzu kommt Fallwickls fantastisches Sprachgefühl. Hier wird verknappt, aneinandergereiht, mit Rhythmus gearbeitet und allein über die Satzstruktur macht sie die grenzenlose Erschöpfung und Wut spürbar. Grandios auch, wie sie sprachlich Elins innere Zersplitterung deutlich macht mit den eingeschobenen Bruchstücken von Hasskommentaren aus dem Netz.
Gleichzeitig zeigt sie, dass alle unter dem herrschenden System leiden, nicht nur Frauen. Dass wir nur etwas ändern können, wenn alle mithelfen. Wenn auch Männer Care-Arbeiten übernehmen, daheim oder beruflich. Wenn die Gewalt, der Frauen ausgesetzt sind, anerkannt und ihr endlich effektiv Einhalt geboten wird. Wenn schutzbedürftige Menschen nicht mehr wirtschaftlich ausgebeutet werden über Mini-Jobs, die teils unter horrenden Bedingungen stattfinden.
Das wirkt über weite Strecken bedrückend und gleichzeitig rüttelt sie damit auf, setzt Energie frei. Es ist eine Geschichte, die tatsächlich noch heute so beginnen könnte. Trotzdem wirkt es wie eine Zukunftsvision. Ob es nur eine Vision bleibt oder ob wir tatsächlich etwas ändern, das liegt nun an uns.