Als 20jährige Studentin bei der Engelmacherin – ist das ein Scheitern? Oder ist der Auf- und Ausstieg aus dem dumpfen Sumpf der elterlichen Kneipe geglückt? Verzweifelt versucht Denise oder Ninise sich in der Welt der «anständigen» Leute zurechtzufinden, deren Sprache zu brauchen, zwischen der feineren Welt und Sprache und ihrem derben Zuhause hin und her zu wechseln. Lernen, die Beste sein in der Schule, das macht sie wenigstens unangreifbar, aber auch einsam und in keiner der Welten heimisch. Gewaltig wächst der Hass auf ihre Eltern, auf ihre Herkunft, auf die Armseligkeit, im Lesen und in der Literatur findet sie das Mittel, auszusteigen. Trotzdem wird sie nicht heimisch in der kleinbürgerlichen oder mehrbesseren Welt, die vordergründige Befreiung wird zum Fiasko.
Autofiktional schreibt sich Annie Ernaux ihre Verwundungen von der Seele, beschreibt plastisch und deutlich das Leben am Rande der Gesellschaft, die Tristesse, die alten einsamen Säufer, die resolute übermüdete Mutter, die leeren Idealvorstellungen vom anständigen Leben. Die Sprache direkt, offen, derb, schonungslos unbarmherzig und ehrlich.
Allerdings findet sie aus dem schonungslosen Hass auf ihre Eltern und Herkunft nicht heraus, es scheint, als könne sie sich trotz allem nicht freischreiben von ihrer Vergangenheit, sie scheint sich selber auch im Weg zu stehen; ihre Hasstiraden hören nicht auf, ich wurde ihrer überdrüssig.
«Ich habe es geschafft, mich in der Bildung zu verbarrikadieren, diesem riesigen fiktiven Klassenzimmer, weit weg von der Kneipe und ihren schmuddeligen Ecken»(197)