…, konsequent aus Sicht des zehnjährigen Protagonisten und mit einem kontinuierlichen Spannungsaufbau erzählt.
Lize Spit denkt sich einfühlsam in ihren einsamen Protagonisten hinein. Bis Tristan mit seiner Familie aus dem Kosovo flüchten musste und ausgerechnet in seinem Dorf ankam, war der überdurchschnittlich intelligente Jimmy der gemobbte Aussenseiter. Insofern kann er sein Glück kaum fassen und würde alles dafür tun, dass Tristan bei ihm bleiben kann. Und genau der Entschluss wird auf eine harte Probe gestellt, als es plötzlich heisst, die Familie werde ausgewiesen.
Die Handlung dieses schmalen Romans erstreckt sich lediglich über zwei Tage. Spit schreibt im Präteritum und lässt über Rückblenden das vergangene Jahr seit Tristans Ankunft in Belgien einfliessen. Ich erwähnte bereits ihre einfühlsame Art. Diese zeigt sich in der Denkweise ihrer allwissenden Erzählfigur, die eng an Jimmy anknüpft, und in ganz gezielten Situationen. Wenn etwa Jimmy seine Sammelleidenschaft für Bilder aus Chipstüten erklärt, die Ernsthaftigkeit, die hinter dieser Sammlung steht, beschrieben wird, welche Ehre es in seinen Augen darstellt, die zweite Ausführung seiner Sammlung Tristan zu schenken, und was es wiederum für ihn bedeutet, als er sieht, wie die zuvor makellosen Bilder nun verstreut in der Wohnung herumliegen und buchstäblich mit Füssen getreten werden. Was die Freundschaft zu Jimmy für Tristan, der bereits 12 Jahre alt ist, bedeutet, erfahren wir nicht. Aber Jimmys Angst, seinen besten und einzigen Freund zu verlieren, die ist spürbar.
Es ist aber auch eine Geschichte von Flucht und Trauma, in den ausgehenden 90er-Jahren verortet und trotzdem leider immer (noch) aktuell. Eine zehnköpfige Familie, die zu Fuss vor der Gewalt in ihrem Land flieht, die mehrfach zurückgeschickt wird, es erneut versucht, schliesslich über das Mittelmeer irgendwie nach Belgien kommt, wobei sie kurz vor der Küste aus dem Boot gestossen werden. Spit verdeutlicht uns in wenigen Worten, unzusammenhängend, aber in umso stärkeren Bildern, was Menschen auf der Flucht – und vor allem auch danach – erleiden müssen.
Das Ende ihres Romans lässt sie offen. Im Nachwort erwähnt sie, dass ihr Buch auf der wahren Geschichte der Familie Zenelaj beruht. Die Stärken von “Der ehrliche Finder” liegen in der kindlichen Perspektive und der Sensibilisierung für Fluchterfahrungen. Der Roman liest sich schnell, aber ich würde ihn nicht für vergnügliche Lesestunden empfehlen.
Die Übersetzung aus dem Niederländischen erfolgte durch Helga von Beuningen.