Wer es gerne literarisch mag, wird an Dana Grigorceas jüngstem Roman Freude haben.
Schriftstellerin Dora hat ein Stipendium erhalten, um über den (fiktiven) Bildhauer Constantin Avis zu schreiben, der 1926 von Paris nach New York reist in Erwartung seines grossen Durchbruchs. Doch dort eingetroffen kommen ihm bald seine Sicherheiten abhanden und am Ende wird öffentlich darüber diskutiert, was Kunst überhaupt ist, was sie ausmacht und ob seine abstrakte Bronzeskulptur eines Vogels dazugehört.
Derweil sitzt Dora in einem Hotel in Italien, ihr Sohn in der Obhut eines Kindermädchens, und das Leben ihres Romanhelden verschmilzt zunehmend mit ihrer Gegenwart, die ebenfalls von Fragen bevölkert ist.
Gerade das Auftauchen von Elementen aus dem Roman im Roman in Doras Alltag und umgekehrt empfand ich als unglaublich reizvoll, denn wir werden beim aufmerksamen Lesen belohnt mit allerlei Déja-vu-Momenten. Auch die Anspielung auf Grigorceas Werk «Die nicht sterben» hat mir aus demselben Grund gefallen (Dora hat mal über einen ähnlichen Stoff nachgedacht, ihn dann aber verworfen). Dana Grigorcea, so hatte ich den Eindruck, nimmt sich damit selber nicht ganz ernst. Allgemein ist «Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen» federleicht und verspielt zu lesen. Gleichzeitig bieten sich uns jedoch auch Themen an, über die sich diskutieren lässt (Bedeutung von Kunst, Doras Spagat als Schriftstellerin und Mutter, Liebe und was wir dafür halten, um nur einige zu nennen).
«Wozu Klarheit in diesem flüchtigen Leben? Kannst du mir das sagen? Ist der Anspruch nach Klarheit nicht etwa Anmaßung, eine Sünde angesichts der Lebensfülle?» (S. 139)
Souverän springt Dana Grigorcea als allwissende Erzählerin zwischen ihren verschiedenen Handlungssträngen hin und her, verwebt sie, fügt noch Neues ein und lässt mich am Ende mit einem diffusen Gefühl von Bereicherung zurück.