Lange bin ich um «22 Bahnen», den Debütroman von Caroline Wahl, herumgeschlichen und frage mich nach der Lektüre einmal mehr, warum ich mir diese tragisch-schöne und beglückende Lektüre so lange verwehrte?
Ich-Erzählerin Tilda ist Anfang/Mitte 20, Studentin im Masterstudiengang Mathematik mit Aussicht auf eine Promotionsstelle in Berlin, Kassiererin im Supermarkt und Ersatzmutter für ihre zehnjährige Schwester, Ida. Der Vater ist schon lange weg und genauso lang ist die Mutter Alkoholikerin. Um den Kopf frei zu bekommen, geht Tilda täglich ins Freibad, absolviert dort ihre 22 Bahnen – und trifft diesen Sommer Viktor wieder. Viktor, der auch auf ihre Schule ging, der ebenfalls ein Mathe-Genie ist. Viktor, der grosse Bruder von Ivan, der im Sommer vor fünf Jahren zu einem von Tildas besten Freunden wurde.
Caroline Wahl packt schwere Themen in ihren Roman und setzt dem die Liebe der beiden Schwestern zueinander und Tildas rationale, knappe Erzählweise gegenüber. Wir begleiten die Figuren vom beginnenden Sommer an bis in den Herbst, beobachten, wie sie sich entwickeln, wie sie wachsen, sich verlieben, kämpfen und sich auf Neues einlassen. Ida und Tilda sind ein unvergessliches Gespann, mit dem ich gelacht, geflucht, geheult und gehofft habe.
«22 Bahnen» ist die ausgewählte Lektüre von Bern liest ein Buch 2024. Ich kann es auch allen ausserhalb von Bern nur wärmstens ans Herz legen!