Jim ist der Sklave, der damals mit Huckleberry Finn auf der Flucht war und auf und am Mississippi so mancher brenzligen Situation entkommen musste. Wie der junge Huck das gemeistert hat, gehört zur Weltliteratur. Was und wie Jim diese Reise erlebt hat, erzählt uns Percival Everett nun in seinem jüngsten Werk «James» und rechnet damit gnadenlos mit der Geschichte der Amerikanischen Südstaaten ab.
Ich habe mir parallel zu diesem Buch das Hörspiel «Huckleberry Finn» angehört und dann jeweils das chronologisch dazugehörige Kapitel gelesen. Was für ein «3D Leseerlebnis»! Dabei sind Twains und Everetts Geschichte immer mehr zu einer geworden, was ich extrem spannend fand zu beobachten. Es sei hier vermerkt, dass das Buch auch problemlos lesbar ist, wenn man Mark Twains Buch zuvor nicht gelesen hat.
Die Figur des Jim, bzw. James, gab es vor Everetts Buch zwar schon, aber erst jetzt wurde sie so richtig zum Leben erweckt. Der Autor verleiht Jim eine faszinierende Persönlichkeit, die klug, witzig, herzensgut und teilweise brutal sein kann. Mit Scharfsinn und sprachlicher Finesse kämpft sich der Sklave durchs Leben und entlarvt dabei wie manipulierbar die weisse Bevölkerung der damaligen Zeit, gefangen in ihrer Weissen-Überlegenheits-Bubble, eigentlich gewesen sein muss.
Everetts Werk ist von der Idee her betrachtet – einer Nebenfigur ein eigenes Buch widmen – nichts, was nicht schon dagewesen ist. Was es jedoch von anderen Geschichten abhebt, ist die rundum hochstehende Qualität: Eine spannende, berührende Geschichte, die sich (meist) präzise ins Original einbettet und eine neue Perspektive öffnet. Eine Sprache, die gekonnt zwischen den Szenen wechselt, um ihnen die nötige Charakteristik zu verleihen. Und eine mehr oder weniger versteckte Botschaft der gnadenlosen Gesellschaftskritik zwischen den Zeilen.
«James» ist für mich bereits heute ein rundum gelungenes Meisterwerk, das hoffentlich so lange zu reden geben wird, wie Mark Twains «Huckleberry Finn». Entsprechend, man ahnt es schon, gibt es von mir volle Punktzahl und eine dringende Leseempfehlung.