Vordergründig ist es die Geschichte einr jungen norwegischen Frau, Juni, welche herausfinden möchte, wer sie ist. Ihre Mutter hat das Geheimnis um ihren Vater mit ins Grab genommen, wie auch deren Mutter Tekla darüber geschwiegen hatte, wer ihr leiblicher Vater gewesen war. Juni selbst leidet unter ihrem gewalttätigen Ehemann, dem sie auf einem Segeltörn entflohen ist. Nun versteckt sie sich im Haus ihrer Grosseltern, in welchem bis zum Ende auch ihre alkoholsüchtige Mutter Lilla gelebt hat. Juni ist in den ersten Wochen einer Schwangeschaft und sie will das Kind nicht. Unterstützt von dem alten Fischer und Nachbarn Alfred und dem Historiker Georg, der auf der Insel seine Dissertation fertigschreiben möchte, macht sich Juni auf Spurensuche.
Ihre Grossmutter Tekla hatte sich seinerzeit in einen jungen deutschen Besatungssoldaten verliebt und wurde zur Geächteten in ihrer Familie, zur Landesverräterin. 1945 folgte Tekla ihrem Freund Otto bei seiner Heimkehr in eine kleine Stadt im nunmehr russischen Teil von Deutschland.
Trude Teige nimmt uns mit auf eine Zeitreise, in der es darum geht, wie Frauen die Grauen des Zweiten Weltkriegs erlebt haben. Die Autorin erzählt unaufgeregt und ruhig - und dies lässt die Hölle der Frauen auferstehen und nachlebbar werden. Ich selbst habe Zeitzeuginnen zugehört, die über ihre Flucht aus Ostpreussen berichteten - auch sie erzählten so unaufgregt und gleichsam distanziert zu sich selbst, ganz so wie Trude Teige es tut..
In den Büchern über Kriege finden vor allem Männer Erwähnung. Das Leid der Frauen bleibt im Hintergrund. Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen während Kriegen finden auf allen Seiten statt. Aber die russischen Sodaten taten sich besonders hervor in Grausamkeiten an Frauen. Viele Frauen begingen danach Selbstmord. Andere lebten weiter mit der Schande - und oft einem Kind, das sie nicht wollten, denn es trug die Züge der Vergewaltiger. Die betroffenen Frauen schwiegen. Um sich selbst irgendwie zu schützen. Und um ihre Kinder zu schützen. Keine gute Veraussetzung für das Leben der Kinder. Denn die Mauer des Schweigens ist spürbar und wiegt schwer. Wie sollen die Töchter aus Vergewaltigungen in ihrem eigenen Leben nach vorne blicken können, wenn sie in der schweigenden Ungewissheit aufwachsen.
Ein Thema von brutaler Aktualität mit den Kriegen in der Ukraine und in Israel. Ein Thema über das immer noch viel zu leicht in der Berichterstattung hinweggegangen wird. Die Autorin führt es ihren Leserinnen vor Augen! Ein dunkles Stück Geschichte, welches heute noch in den nachkommenden Generationen seine Schatten wirft.
Ein grossartiges Buch!