Was für ein schönes Buch. In “Baumgartner” schreibt Paul Auster über den 72 jährigen Sy Baumgartner, der seit dem Tod seiner Frau Anna alleine im früher gemeinsam bewohnten Haus lebt. Baumgartner selbst ist Schriftsteller und seine Frau hat ebenfalls geschrieben.
Im Buch erinnert sich Baumgartner an Etappen aus seinem Leben, an seine Kindheit, Jugend, die Schulzeit und seine Beziehung zu Frauen, seine Ehe und das Zusammenleben mit Anna.
Man hat den Eindruck, dass er seit ihrem Tod nicht mehr ein Ganzes ist, dass etwas von ihm selbst fehlt. Auch von den Frauen, die er seit ihrem Tod kennengelernt hat und mit denen er auch Affären hatte, berichtet er. Die grosse Liebe ist zweifelsfrei Anna. Man erfährt, wie sie sich kennengelernt und zusammengefunden haben, von der vorherigen Liebe Annas und was das tragisch Ende dieser Liebe für sie bedeutet hat.
Baumgartner ist zweiundsiebzig Jahr alt, zum Zeitpunkt der Erzählung. Also kein junger Mann mehr. Er nimmt bewusst wahr, dass er altert. Ein Treppensturz hält ihm das deutlich vor Augen, auch andere Ereignisse. Die junge Studentin, die zu ihm kommt, um die unveröffentlichten Werke von Anna für ihre Arbeit zu studieren, kommt ihm vor wie die Tochter, die er und Anna hätte haben können. Es ist keine wehleidige Wehmut, die man spürt, sondern ein friedliches Betrachten der vergangenen Zeit, aber auch das aktuelle Erleben. Aktuelle Gegebenheiten und Erinnerungen wechseln sich in angenehmer Folge ab. Man verliert nie den Faden.
Ich stelle mir vor, dass Baumgartner in diese Geschichte einiges von sich selbst eingewebt hat. So hat seine Mutter bevor sie geheiratet hat den Familiennamen “Auster” getragen. Er sorgt sich auch um die junge Studentin, die eine lange Autofahrt zu ihm unternehmen muss. Austers (Frau Siri Hustvedt hat einen sehr schweren Autounfall überlebt.)
Es waren grossartige Lesestunden. Ich war schon etwa vierzig Seiten vor dem Ende des Buches traurig, dass es schon bald fertig ist. Es stimmt aber absolut so, eine ganz runde Sache.