Der Roman hat es in sich! Donna Cross malt ein farbenprächtiges Bild des Papstes Johannes Anglicus, der in Wahrheit eine Frau ist. Sie richtet opulent an, hat ein Faible für fast schon exzessive Dramatik, v.a. wenn’s drum geht, Gräueltaten zu beschreiben. Das ABER betrifft für mich den Wahrheitsgehalt, bzw. die Historizität. Denn Päpstin Johanna ist geschichtlich kaum zu fassen, das meiste ist Spekulation, mitunter auch Schlussfolgerung von Fehlendem oder Verändertem - und diese Lücken füllt Cross üppig und mit grosszügiger Fantasie, wie sie selbst am Schluss schreibt, wo sie ihre Quellen und Gedankengänge offen legt. Sie wollte einen ‘möglichst spannenden Unterhaltungsroman’ schreiben. Das ist ihr durchaus gelungen! Dazu schreckt sie aber auch nicht davor zurück, geschichtliche Fakten der Dramturgie wegen zu verändern (Normanneneinfall in Dorstadt um ~200 Jahre vorverlegt). Zudem hat es mehrere offensichtliche Fehler, manche Ungenauigkeit, immer wieder Zuspitzungen, die einem klischiert vorkommen und den einen oder andern Lapsus (wenn z. B. Papst Leo ein Wort in den Mund gelegt wird, das ~700 Jahre später von einem andern stammt…)
In die Quere kommt mir zudem, dass ich zuvor Die heimliche Päpstin von Frederik Berger gelesen habe. Bei ihm ging es um Marozia und deren Sklavin Aglaia. Dabei gibt es Überschneidungen, z.B. mit Papst Sergius, dem Sarazeneneinfall, dem Brand… Und das deckt sich nun gar nicht mit Cross - schien mir aber eher faktengetreu.
Nun aber zum Inhalt: Eröffnet wird die Geschichte mit einer Episode, von der man zunächst nicht weiss, wohin sie gehört… Dann beginnt Johannas Geschichte in Ingelheim mit ihrer (schwierigen) Geburt. Zunächst wird sie vom Bruder unterwiesen - durch Fügung kommt Aesculapius als Lehrer ins Haus, um sie als Frau zu unterrichten - was letztendlich ‘böse endet’. - Schon diese Kindheit ist komplett fabuliert, weil’s keine Unterlagen dazu gibt.
Zunächst kommt sie auf Umwegen in Dorstadt in der Domschule unter, muss ein erstes Mal fliehen, als die Normannen alles niedermachen und -metzeln, kommt nach Fulda ins Kloster, auch da ist kein Bleiben. Eine weitere Flucht, die letztendlich in Rom - und noch letztendlicher auf dem Papstthron endet…
Um zu wissen, was es mit dem Vorspann auf sich hat, muss man mehr denn 200 Seiten lesen, zumindest kann man dann die Personen einordnen, weitere 100 Seiten und man weiss, was dieser Tod für eine Bedeutung für Anastasius hat(te).
Inzwischen verlor sich dafür ein anderer Erzählfaden (Gerold), der auch unversehens wieder in einer Schlacht auftaucht und verwundet wird - Dieser Faden reisst urplötzlich ab. Bis Gerold ebenfalls in Rom auftaucht (mehr als einmal).
So rücken die einzelnen gewichtigen Personen der Erzählung immer mehr zusammen, bis das Schicksal ganz zuschlägt…
Es hat manchen Nervenkitzel - die ersten empfand ich wirklich als spannend - doch letztendlich waren die Enden stets vorhersehbar - Johanna konnte ja nicht einfach so ‘enttarnt’ werden oder sterben.
So bin ich etwas unschlüssig mit der Bewertung… Die drei rührt davon, dass ich a) mit Berger verglich und b) dass ich andere Erwartung/en an die Faktenverarbeitung hatte. - Für einen ‘bloss’ spannenden Unterhaltungs/liebesroman ohne geschichtlichen Anspruch ist er durchaus eine vier wert.