In Juli Zehs Dystopie erlebt man mit Mia Holl einen wilden Ritt durch eine Zukunft, in der der Staat alles unter die Kontrolle der Gesundheit der Menschen stellt. Nahrungsaufnahme, Blutkontrolle, Bewegung - alles wird überwacht und Widerhandlungen gegen das System werden bestraft.
Mia Holl ist die Hauptprotagonistin. Ihr Bruder Moritz wurde wegen einem Vergehen angeklagt, dessen er sich nie für schuldig befand. Mia ist überzeugt, dass er unschuldig ist. Er stirbt im Gefängnis, anscheinend durch Suizid. Mia und ihr Bruder hatten immer eine enge Geschwisterbeziehung. Moritz war kein Freund des Systems. Mia kommt den Verpflichtungen nicht mehr nach und fliegt wegen der automatischen Überwachung auf. Mia Holl wird wegen verschiedener Delikte gegen die “Methode” angeklagt. Es kommt zu einem Prozess.
“Was liegt vor?”, fragt Sophie (die Richterin).
“Vernachlässigung der Meldepflichten”, sagt Bell. “Schlafbericht und Ernährungsbericht wurden im laufenden Monat nicht eingereicht. Plötzlicher Einbruch im sportlichen Leistungsprofil. Häusliche Blutdruckmessund und Urintest nicht durchgeführt.”
Mia verhält sich nicht kooperativ, was entsprechend Konsequenzen hat.
Es ist eine sehr skurrile Geschichte. Die Interaktionen zwischen Mia, ihrem Verteidiger, den Anklägern, aber auch den anderen Bewohnern des Hauses sind sehr speziell und spannend. Auch die Erinnerungen an Gespräche und Erlebnisse mit ihrem Bruder Moriz sind interessant.
Die Sprache passt zum Buch und zu Juli Zeh. Sie ist präzis, packend, nicht ausschweifend und so, dass man manchmal innehalten muss - à la “Moment …”, um mit erhöhter Aufmerksamkeit weiterzulesen. Man kann dabei nicht einfach abschweifen und ist immer hellwach auf Aufnahme eingestellt.
Sehr tiefgründig, zum Nachdenken anregend. Spannend und doch kein Pageturner.
Die Geschichte an sich ist mir zu gesucht und zu extrem auf einen Gesundheitskult ausgerichtet, deswegen ein Punkt Abzug, insgesamt aber lesenswert.
“Gesunder Menschenverstand”, ruft die ideale Geliebte, “ist, wenn einer recht haben will und nicht begründen kann, warum!”
Man kann den Menschen am Gegebenen messen und zu dem Ergebnis kommen, er sei normal, gesund und folglich gut. Oder man erhebt das Gewünschte zum Massstab und stellt fest, dass der Betreffende gescheitert sei. Ganz nach Belieben.
Ich entziehe einer Sicherheit das Vertrauen, die eine letztmögliche Antwort sein will, ohne zu verraten, wie die Frage lautet. …. Ich entziehe Eltern das Vertrauen, die ein Baumhaus “Verletzungsgefahr” und ein Haustier “Ansteckungsrisiko” nennen.