Ich kannte Erich Kästner als gutherzigen Kinderbuchautor, als klugen Stückeschreiber und geistreichen Lyriker (mein Grossvater zitierte zu Familienfesten gerne aus Kästners “Hausapotheke”). Natürlich war mir bekannt, dass seine Werke von den Nazis verboten worden waren. Dass er danach aber beschloss, ein geheimes Kriegstagebuch zu führen, welches er - in blaues Leinen gebunden - zwischen den 3000 weiteren Bänden seiner Bibliothek versteckte, war mir neu. Diese sorgfältig editierte und um viele weitere Zeitzeugnissen wie etwa Zeitungsartikel ergänzte Ausgabe ist für mich als Kästner-Fan ein Geschenk. Und wertvoll für alle, welche die Anonymität des Zweiten Weltkrieges gegen unmittelbares Erleben eintauschen wollen . Selbstverständlich sind Kästners Eintragungen nicht stellvertretend für die deutsche Bevölkerung zu lesen, befand er sich doch nach wie vor in einer privilegierten Lage. Sein Weltbild, seine (Fehl)Einschätzungen der Lage, seine Ängste, Zweifel und Hoffnungen und nicht zuletzt seine Gabe, selbst in aussichtsloser Lage über sich selbst lachen zu können, machen dieses Buch zu einem wichtigen Vermächtnis.