In diesem wunderbaren Roman-Debut nimmt uns Caro Wahl mit in die innere Welt von Tilda. Wir begleiten Tilda in ihrem Leben zwischen Familie mit alkoholkranker Mutter und kleiner Schwester, Mathematikstudium, Job im Supermarkt und kleinen Ausflüchten im Schwimmbad.
Caro Wahl zeichnet viele Gedankenstränge auf und lässt keinen auf der Strecke. Alle Stränge werden zu Ende geflochten. Das Werk ist dadurch und vor allem auch aufgrund der einfachen, sehr strukturierten Sprache ein Meisterwerk. Als Leserin hatte ich wirklich das Gefühl, mitten im Kopf von Tilda zu sitzen. Ich wusste, was sie denkt, wie sie handelt, was sie fühlt. Die Sprache passte für mich wunderbar zu Tilda, die ja der Mathematik - der Logik und Struktur - erlegen ist.
Tilda wirkt gegen aussen sehr stark. Ich persönlich finde sie eine beeindruckende Persönlichkeit. So kann sie sich neben ihrem schwierigen Studium um ihre kleine Schwester kümmern und gleichzeitig ein Einkommen generieren, weil die Mutter alkoholsüchtig ist und eigentlich den ganzen Tag auf dem Sofa liegt. Die Beziehungen von Tilda sind aus meiner Sicht auch das, was dieses Buch ausmacht. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht zu fest spoilern. Tief im Innern ist sie allerdings nicht so tough, wie sie sich gerne geben möchte. Ich habe das Gefühl, dass ihr die festen Abläufe in ihrem Leben ein bisschen Halt geben. Im Buch begleiten wir sie bei der Entscheidfindung, ob sie ein Doktorat in Berlin machen soll oder ob sie bei ihrer Familie bleiben soll, da sie ihre kleine Schwester nicht alleine lassen möchte. Diese innere Zerrissenheit kommt im Mittelteil, welcher irgendwie für mich auch eine Art ,,Umbruch’‘ war, gut zur Geltung. Die Figuren in diesem Roman entwickeln sich über die ganze Geschichte hinweg, was zum Ende sehr spürbar und irgendwie auch ,,gesund’' ist. Das offene Ende fand ich super. Denn: Genau so ist das Leben. Keiner weiss, wie es weiter geht und ob die gesteckten Ziele auch tatsächlich erreicht werden oder nicht.
Neben dem oben Beschriebenen ist der Roman (unabsichtlich?) zwischen den Zeilen gesellschaftskritisch. Dieser Aspekt macht die ganze Geschichte für mich tragisch. Und: man merkt fest, dass ,,Normalität’' für jeden etwas anderes bedeutet.
Für mich ist dieser Roman ein Meisterwerk. Ich habe mich in Tilda, in Viktor und vor allem in Ida verliebt. Ich möchte MEHR über die drei erfahren und ich möchte MEHR solche Bücher lesen. Ein absolutes MUST-READ für alle, egal, ob jung oder alt.