Der Protagonist Robert wagt im Wien der 60er-Jahre den Schritt in die Selbständigkeit und eröffnet ein Café. Einen Namen hat es nicht und auch seine Besucher bewegen sich meist in der Anonymität eines Stadtquartiers. Und doch hat jede:r von ihnen eine Geschichte. Oder?
Robert Seethaler Rezensionen sind bei mir so eine Sache, da sich der Autor in meiner Lesegunst ganz weit oben findet und in meiner Welt gleichzeitig sein grösster Konkurrent ist. Das Café ohne Namen ist mein viertes Seethaler-Werk und es kommt in gewohnt hochstehender Seethaler-Manier daher: Stilistisch auf sehr hohem Niveau mit lebendigen Szenerien aus dem Alltag dieses Cafés und seiner Besucher:innen. Seethaler versteht es wie kaum ein anderer, Stimmungen und Nuancen in Worte zu fassen - was für ein Lesegenuss!
Eine eigentliche Geschichte hat das Buch nicht. Stattdessen sind es stimmungsvolle Szenen aus dem täglichen Leben im Café und drumherum. Vieles wird Angedeutet und noch mehr wird offen gelassen.
Auch einige der Figuren sind hervorragend skizziert und verleihen diesen Momentaufnahmen Sanftheit, Menschlichkeit und Makel. Sehr gelungen aber irgendwie fad fand ich hingegen die Hauptfigur. Robert (wie in Robert Seethaler?) zeichnet sich durch sehr ähnliche Charakteristiken aus, wie andere Seethaler Protagonisten zuvor. Und hier stellt sich Seethaler bei mir selber ein Bein, da ich die Figur “Robert” eigentlich als schön ausgearbeitet und lebensecht empfinde, sie im Vergleich mit den Protagonisten der anderen Bücher aber abfällt. Dies besonders durch die frappante Ähnlichkeit miteinander.
Klingt kompliziert? Ist es auch. Darum gibt es für diese Animosität meinerseits auch keinen Abzug und ich empfehle die Lektüre sehr gerne weiter.