Von der ersten Kooperation der beiden Autoren (“Fremd”) war ich ja nicht wirklich begeistert, dennoch hole ich mir grundsätzlich alles von Ursula Poznanski und gab insofern auch “Anonym” eine Chance.
Dieses Hörbuch hat mich durch einen interessanten literarischen Kniff jedoch gleich gefesselt. Es beginnt aus der Sicht des männlichen Kommissars, gelesen von Sascha Rotermund. Dieser bekommt eine neue Kollegin, auf die er so gar kein Lust hat.
Die Perspektive wechselt und man hört genau dieselbe Situation aus der Sicht seiner neuen Kollegin, gelesen von Christiane Marx. Das wird jedoch nicht sofort klar, da sie zu einem ganz anderen Zeitpunkt ansetzt zu erzählen.
Das fand ich eine interessante Möglichkeit, auch mal über verschiedene Perspektiven nachzudenken. Hat mich bei “Fremd” die Kombination Rotermund/Marx eher irretiert, fand ich sie hier für die beiden unterschiedlichen Kommissar-Typen, die auf ihre Art beide Einzelkämpfer sind und nun miteinander auskommen müssen, sehr passend.
Wie so häufig, greift Poznanski mit “Fremd” ein sehr aktuelles, modernes Thema auf: Es geht um das Darknet und die damit verbundene Anonymität des Internets.
Diese ist gleich in zweierlei Hinsicht erschreckend: Einerseits, weil gezeigt wird, wie diese Anonymität die dunkelsten Seiten der Menschen regelrecht befeuert, zum anderen, weil man sich über die Hilflosigkeit der Polizei bewusst wird, die dieser neuen Art von Kriminalität eigentlich kaum gewachsen ist.
Insofern kann man - wie die beiden Polizisten - im Prinzip nur zusehen, was sich der Täter gerade neues ausdenkt, der es den Mitgliedern seines Forums ermöglicht, Menschen zu nominieren, deren Tod sie sich wünschen - und genau diesen dann ausführt und live ins Netz stellt.
Fesselnd bis zur letzten Minute, auch wenn ich mit der Vermutung, wer der Täter ist, richtig lag. Zeigt die Abgründe unserer digitalen Gegenwart auf und lässt einen sehr nachdenklich zurück.