Das war mein erster Eindruck, als ich das Buch zuklappte: ein einziger Scherbenhaufen! …nicht nur wegen der zerbrochenen Existenzen von Riva und Hitomi - sondern auch, weil Lucadou die Geschichte irgendwie ins Leere laufen lässt - dabei verliert der Roman auch sein Potential. Figuren, die mit viel Kontur aufgebaut wurden, verschwinden von der Bildfläche - ohne irgend etwas weiteres über sie zu erfahren. Das lässt mich unbefriedigt zurück, schade, denn der Plot hätte es in sich - spielt in der Zukunft - und ist uns doch viel näher (als mir lieb…)!
Da sehnen sich Menschen im Schmutz der Peripherie nach der Stadt, wo Glamour auf sie wartet - und vor allem ‘Bedeutsamkeit’ - jemand sein - wahr genommen - ja, ‘gefeiert’ werden - im Rampenlicht stehen. Doch zu welchem Preis?! Denn über allem hängt das Damoklesschwert der ‘Rückschaffung’ in die Perpherie, wenn man doch nicht genügt - wer dort aufgewachsen ist weiss, was ihn erwartet - die andern malen es sich mit Schrecken aus - es funktioniert - jedenfalls bis sich Riva, eine der prominentesten Hochhausspringerinnen, einfach verweigert, keine Leistung mehr erbringt, ihre Medienwirksamkeit auf Null herunter fährt. - Doch in dieser Welt des Hochglanzes ist solches nicht erlaubt - Riva wird observiert, gecoacht - sie soll wieder auf den rechten Pfad gebracht werden - will heissen, sich ins System einfügen. - Hitomi soll’s richten - und gerät zunehmend unter Druck. Denn auch sie wird ‘observiert’ - der Arbeitgeber hat jederzeit Zugang zu allen Daten, die er mitunter in Echtzeit bewertet. Zudem sind da diverse App’s und Tracker’s, die Alarm schlagen, wenn’s nicht der Chef tut - denn es gibt klare Abmachungen was Schlaf, Fitness, Mindfullness… anbelangt… Je mehr Punkte man sich verdient, desto mehr Credits, die nötig sind, um in ein noch angesagteres Viertel ziehen zu können, noch eine Etage höher - jeder sieht, wieviel man wert ist…
Wohin das alles führt, entfaltet Lucadou in dieser Geschichte - Sie zeigt, wie immer mehr Leute in den Sog der Rettung einer Einzelperson geraten - und zwischen die Räder der Leistungs- und Hochglanzmaschinerie. Leider wird das nicht wirklich zu Ende erzählt - denn was wurde aus Aston, was aus Zarnee - etc.? - Riva landet zwar in der Peripherie - aber auch das wird nur flüchtig gestreift - wofür sich Hitomi letztendlich entscheidet, lässt sich erraten - und bleibt dann auch in der Luft hängen…
Etwas störend im Text die vielen TM’s. Zudem werde ich das Gefühl nicht los, dass es nur ein Buch für Insider ist, denn viele Begriffe verstehe ich nicht wirklich (z.B. Breeder, Papavid, VJ…) - kann es höchstens aus dem Zusammenhang heraus folgern. Ein Glossar wäre daher hilfreich - wenn nicht gar ein ‘Muss’.
Den ersten Drittel brauchte ich, um in die Geschichte hinein zu kommen, mich in dieser Welt und Zukunft zurecht zu finden, dann hatte es durchaus auch Sog und meine Neugier geweckt, mit Zarnee kam etwas Tiefgang hinein - bis es eben absackte - und zerbröselte…
Es bleibt ein schaler Geschmack - denn manches im Text ist nicht bloss ‘Zukunftsmusik’ - zumindest die ersten Takte sind schon gespielt… Von daher könnte die Geschichte durchaus auch
ein Weckruf
sein.