Angeline Boulleys Debütroman «Firekeeper’s Daughter» hat mich von der ersten Seite an gepackt!
Sie lässt sich zunächst Zeit und führt uns langsam in das Leben ihrer 18-jährigen Ich-Erzählerin, Daunis, ein. Wir erfahren viel über die Geschichte, Kultur und das Leben der Ojibwe in Upper Michigan, genauer gesagt in Sault Ste. Marie, im Jahr 2004. Boulley schaut genau hin auf die zahlreichen kleineren und grossen Ungerechtigkeiten, die den Natives in den USA widerfahren sind und auch heute noch widerfahren.
Daunis selbst ist zur Hälfte Weiss und zur Hälfte Ojibwe. Sie wächst mit den Traditionen des väterlichen Volkes auf und ehrt sie. Sie ist besonnen und leidenschaftlich, intelligent und klug, weiblich und tough. Im Angesicht der Angst entwickelt sie grossen Mut, auch aufgrund ihres aufgeprägten Verantwortungsbewusstseins.
Nach einem Fünftel kippt der Roman zum Krimi/Thriller. Daunis wird als verdeckte Ermittlerin des FBI angeheuert, das einen Chrystal-Meth-Ring ausheben will. Gemeinsam mit ihr begeben wir uns auf Spurensuche und versuchen herauszubekommen, wer die Drogen herstellt, wer sie verteilt und wer im Hintergrund die Fäden zusammenführt. Als Daunis’ Fährte sie immer tiefer an den Ring heranführt, steigt neben der Rätsel- auch die Bedrohungsspannung.
Aussergewöhnlich an Boulleys hochspannenden Debüt sind die Erzählperspektive einer Native, die vielen Ojibwe-Begriffe, die unübersetzt stehen gelassen wurden und uns so noch tiefer eintauchen lassen in die Kultur dieses einen Stammes, und dass sie uns nicht verschont. Sie thematisiert Tod, Verlust und Trauer, Missbrauch und Drogen (Abhängigkeit, Dealen, Gewalt), aber eben auch Heilung, Gemeinschaft, Liebe und Weiblichkeit.
Daunis ist eine fantastische Protagonistin, die so viel erlebt, verarbeitet und uns an ihren vielfältigen Gedankengängen teilhaben lässt. Sie ist ein wunderbares Vorbild für alle jungen Frauen, da sie die vielen Facetten ihres Frau-Seins schätzt, sich ihrer Stärken und Schwächen bewusst ist, ehrlich zu sich selbst und anderen ist und lernt, sich gerade in der Liebe nicht unter Wert zu verkaufen. Sie ist angehende Wissenschaftlerin und riesiges Eishockey-Talent, liebende und geliebte Tochter, Schwester, Enkelin, Nichte, Tante und beste Freundin.
Der Roman wurde von Claudia Max mit viel Feingefühl ins Deutsche übersetzt. Dem Roman angeschlossen sind eine Anmerkung der Autorin zum Entstehungsprozess des Werkes, US-amerikanische Quellen und Hilfsseiten, ein ausführliches Glossar, weitere Erklärungen für (deutsche) Leser*innen und eine historische Einordung.
Ende November erscheint der nächste Jugendroman von Angeline Boulley und ich kann es kaum erwarten, erneut in einzutauchen in den Erzählkosmos von «Firekeeper’s Daughter».