Amélie Nothomb zu lesen heisst für mich bisher jedes Mal, mich überraschen zu lassen. So auch bei “Mit Staunen und Zittern”.
Die 22-jährige Ich-Erzählerin Amélie verwirklicht ihren Traum, in einem japanischen Unternehmen zu arbeiten und endlich wieder in die Kultur ihrer Kindheit einzutauchen. Hochmotiviert und bestens qualifiziert beginnt sie am 7. Januar 1990 ihre Tätigkeit bei Yumimoto, die sich in eine kafkaesk anmutende Studie der Demut und Hierarchiehörigkeit wandelt.
Nothombs Werk liest sich autofiktional. Ihr Jahr in Japan spielt sich ausschliesslich im Unternehmen ab, eine Welt darüber hinaus hat es zwar gegeben, schreibt sie, aber die kam ihr bei Yumimoto stets unwirklich vor. Sie schreibt distanziert und voller (Galgen-)Humor von den Erlebnissen ihrer Protagonistin. Ihre Eloquenz, die vielen Verweise auf Filme, Philosophie, griechische Mythologie, japanische Kultur etc. stehen dabei in krassem Widerspruch zu dem Bild, das ihre direkte Vorgesetzte von ihr zeichnet. Dialoglastige Episoden wechseln sich ab mit meditativen Innenansichten. Auf dem Buchrücken heisst es, Nothomb führe uns mit ihrer Satire auch ein Zerrbild menschlicher Verhaltensweisen vor, die nicht nur für Japan gelten - jedoch geht sie oftmals ganz gezielt auf Eigenarten der japanischen Kultur ein, gerade in Bezug auf Frauen, Hierarchie und Manieren.
Fasziniert habe ich einmal mehr verfolgt, wie viel die französische Autorin in ihre knappen Romane zu packen vermag und wie locker ihr die intelligenten Geschichten von der Hand zu gehen scheinen. Chapeau!