Der Debütroman von Sarah Jollien-Fardel ist inhaltlich harter Tobak und sprachlich enorm eindrücklich.
Jeanne wächst in einem Bergdorf im Wallis auf. Ihr Vater, ein gewalttätiger Alkoholiker, schlägt seine Frau und die beiden Töchter. Jeannes Kindheit ist ein einziger Terror und dieses Trauma lässt sich nicht abschütteln. Es prägt ihren Alltag, ihre Gedanken und ihre Beziehungen. Erst mit Marine und Paul scheint sich daran etwas zu ändern.
Der Text ist locker gesetzt, was eine Leichtigkeit verströmt, die im Gegensatz zum Inhalt steht. Jollien-Fardels erwachsene Ich-Erzählerin wechselt zwar zwischen Rückblenden und Momenten, die näher an der Gegenwart sind, jedoch bleibt sie dabei meist im Präsens. Allein damit verdeutlicht die Autorin, wie präsent diese Kindheitserinnerungen noch immer im Leben ihrer Protagonistin sind, wie prägend und unauslöschlich. Wir bleiben überwiegend in Jeannes Kopf, was eine Distanz, fast schon eine Mauer, zu ihrer Umwelt aufbaut. Auch dies sprachlich überaus eindrücklich. Die überwiegend knapp wirkenden Sätze vermitteln ebenfalls eine gewisse Härte.
Rein sprachlich fand ich «Lieblingstochter» absolut herausragend! An der Stelle auch ein riesiges Lob an die Übersetzerin Theresa Benkert!
Der Inhalt selbst ist schwer zu verdauen. Er zeigt, welchen Einfluss unsere Kindheit (und damit ist nicht nur eine Kindheit wie die von Jeanne gemeint) auf unser Leben hat, und wie wichtig es im Umgang mit Gewalt ist, wenn Aussenstehende hinsehen und tätig werden. Es gibt einen Moment, in dem Jeanne sich dem Dorfarzt anvertraut, der sie jedoch ignoriert und lieber wegsieht.
Ich bin jetzt schon enorm gespannt auf alle weiteren Werke von Sarah Jollien-Fardel!