Statt einen Felsklotz unendlich den Hügel hochzurollen, muss der Protagonist versuchen, auf einem selten von Schiffen befahrenen Teil des Pazifiks strampelnd zu überleben. Mit seiner Beharrlichkeit hofft er, das Glück auf seine Seite zu zwingen, stolz, als Junge mal das «tote Männchen» (sich auf dem Rücken liegend im Wasser treiben lassen) gelernt zu haben.
Eine existenzialistisch brilliant umgesetzte Erzählung, gehalten vom kontinuierlichen Vergleich zwischen Mensch und Natur.
In diesem von Herbert Clyde Lewis umgesetzten Experiment gehen dem über Bord Gefallenen Erlebnisse seiner Vergangenheit durch den Kopf, beschäftigt ihn die unbändige Hoffnung auf Rettung in der Gegenwart und sieht er sich künftig bereits als Held an Pressekonferenzen und in Interviews in seinen Männerclubs.
"When Standish contemplates the prospect of a world without him, he thinks with regret that “New York City would be dotted with spaces that could never be filled by anyone but the real HPS.”*
Er, ein Gentleman, namens Henry Preston Standish, verheiratet mit Olivia und Vater zweier Kinder (Junior 5, Helen 3). Sein Name ist Programm (Stand), ein Yale-Absolvent, Partner einer Investmentbank, ein gemässigter Vertreter seines Standes.
“He drank moderately, smoked moderately, and made love moderately; in fact, Standish was one of the world’s most boring men.”*
Dieses Erbe, bedroht sein Überleben, ein Gentleman ruft nicht laut um Hilfe, ein Gentleman zeigt sich bei seiner Rettung nicht in Unterwäsche, ein Gentleman kann doch nicht die Route eines Schiffes aus eigener Schuld umleiten.
Ohne allzu viel zu verraten kann gesagt werden, dass Lewis es ausgezeichnet versteht, Standish’s Hoffnung, Frust und Irritationen zu beschreiben und sie gleichzeitig zu spiegeln am Verhalten der anderen acht Personen an Bord und der Crew. Alle hätten sie sein Verschwinden schon viel früher bemerkt haben sollen, alle haben sie Gründe, dies zu umgehen.
Aber, da ist ein lautstarker Streit im Gange, da wird der Knabe, der immer mit Standish spielt aufs Zimmer geschickt, da getraut sich ein Farmer nicht, die Standesschranken zu übersteigen, da lenkt ein Sekten-Ehepaar ab, um nicht länger in ein Gespräch verwickelt zu werden.
Auch als die Gewissheit wahr wird, dass der Gentleman vor zehn Stunden über Bord ging, erfinden alle eine Entschuldigung, diesmal aber für Standish’s angeblichen Suizid.
Es ist ein existenzielles Drama, welches sich hier abspielt. Ausgesetzt in der erbarmungslosen Natur wird ein Mensch, dessen Leben von Wohlstand gezeichnet war, und der eine Midlife-Crisis zum Vorwand einer Schiffahrt wählt, seinem Ende gegenübergestellt.
Wie geht er damit um? Wird er gerettet? Was geschieht, wenn dem so ist? Was sind die Konsequenzen im anderen Fall?
Lewis spielt sein Experiment gekonnt durch, setzt oft Humor und Ironie ein. Der gekonnte Wechsel zwischen Tragik und Komik fesselt, verliert nichts an Spannung, und schliesslich wähnt sich der Leser selbst im Wasser und teilt des Gefallenen Einsamkeit.
Ein Kritiker schreibt: Er hat eine Geschichte erzählt, mit ungewöhnlicher Fertigkeit und Intensität, die 99 von 100 Schriftstellern vermasselt hätten, weil sie die Novelle zu einem Roman erweitert hätten, oder auf die Bedürfnisse eines Essays in einem Magazin verkürzt hätten.
Fazit: absolut lesenswert
PS*: meine englische Ausgabe kommt ohne Seitenzahlend daher, was äusserst gewohnungsbedürftig ist.
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