Die Geschichte der “Verlorenen Tochter” habe ich im Rahmen einer Leserunde gelesen. Der Roman hat zwei Geschichtsstränge und Protagonistinnen, Lily in der Gegenwart und Estée in der Vergangenheit. Nach und nach erfährt so der Leser die Puzzleteile, wie die beiden Frauen und ein geheimnisvolles Kästchen miteinander verbunden sind.
Nachdem Lily in Neuseeland ihre Fähigkeiten als Kellermeisterin vertieft hat, ist sie nach London zurückgekehrt und findet eine Fragezeichen aufbringende Nachricht einer Anwaltskanzlei. Bei Williamson, Clark & Duncan eingetroffen, erfährt sie vom Schicksal sechs weiterer Frauen, sie alle erhalten ein Kästchen; gefunden von der Nichte der verstorbenen Hope Berenson, welche ein privates Heim für unverheiratete Mütter und ihre Babys in London geführt hat. Neugierig was es mit den Hinweisen auf sich hat, begibt sich Lily nach Italien, um ein Jahr als Kellermeisterin bei der Familie Martinelli tätig zu sein. Mit Hilfe der neugewonnenen Freundschaften und der Arbeit in Italien lüftet sich langsam das Geheimnis um die beiden Hinweise im Kästchen; ein italienisches Rezept und ein Ausschnitt des Programms von 1946 der Scala in Mailand.
Zeitgleich lesen wir von Estée, im Piemont aufgewachsen, von der Mutter unterdrückt und dem Ballettanz verschrieben. In ihre Welt, die nur aus Disziplin und Tanz besteht, tritt Felix der Bäckerssohn und für Estée beginnt unerwartet ein Karussell der Gefühle. Die Frage ist nur, ob ihr neu gewonnenes Glück mit den jeweiligen Zukunftsplänen der Familien vereinbar ist.
Die Geschichte um die beiden Frauen in Italien ist leicht, für mich sogar zu leicht, geschrieben. Das Buch ist die perfekte, unkomplizierte Ferienlektüre; jedoch aufgrund der fehlenden Tiefe und Liebe zum Detail keine persönliche Empfehlung von mir. Am meisten habe ich mich auf die Aspekte mit dem Wein gefreut, doch fehlte mir hier durchwegs das Gefühl, dass der Prozess und die Berufung als Kellermeisterin umfassend recherchiert worden sind. Die Abläufe sind oberflächlich beschrieben und passen somit für mich nicht zu der grossartigen Leidenschaft, die Lily von ihrem Vater geerbt hat und ihr Leben und Wesen bestimmen. Die Beziehungen von Lily zu Antonio Martinelli und Estée zu Felix Barbieri empfand ich als sehr vorausschaubar, wobei mir der Geschichtsstrang der Vergangenheit besser gefallen hat. Meist werden meine Vorstellungen vom Ende eines Buches noch von einer überraschenden Wendung abgelöst, bei diesem Roman hat sich leider nahezu alles so herausgestellt, wie es sich angebahnt hat. Die Spannung kam relativ schnell zum Erliegen. Alles in allem finde ich die Idee und den Aufbau der Geschichte interessant; mit mehr Tiefe, schön beschriebenen Szenerien in diesem wunderbaren Land, grösserer Widmung der Weinbereitung und weniger glücklichen Zufällen, sprich einer verwobeneren Spurensuche nach den Verknüpfungen wäre das Buch wohl doppelt so dick, aber für mich um einiges lesenswerter und realistischer geworden.
Dennoch hat es mich gefreut, Teil dieser Leserunde gewesen zu sein!