Mit hoher Sachkenntnis schildert die britische Wissenschaftsjournalistin Laura Spinney die Facetten einer dramatischen Umbruchszeit. An der Spanischen Grippe starben mehr Menschen als auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs. Die durch COVID-19 aufgebrochene Verletzbarkeit unserer zivilisierten Welt wird dadurch noch transparenter. Spinney beschreibt uns die Welt am Beginn des 20. Jahrhunderts gleichsam von ihrer Unterseite her, aus der Sicht ihrer Anfälligkeit und Verletzlichkeit. In dieser Sicht erkennen wir die Pandemie als eine Probe auf die Versprechen und Behauptungen der modernen Welt. Wenn die Praxis das Kriterium der Wahrheit ist, so stehen mit der grassierenden Seuche die damaligen Wahrheiten der Wissenschaft, der Politik und Religionen auf dem Prüfstand, aber auch die traditionellen Gebräuche des sozialen Zusammenlebens, der Ernährung, der Kriegsführung, des Verkehrs- und Bildungswesens. So ist ein vielfarbiges Mosaik entstanden, ein Zeitgemälde, das den starken atmosphärischen Eindruck von einer Umbruchzeit hinterlässt, ohne sich auf die klassische Historiografie von Ursachen und Wirkungen zu kaprizieren. Ihre Zusammenschau von 1918 spricht wichtige Warnungen aus und liest sich wie eine unterhaltsame Impfung gegen Leichtsinn und Fatalismus.