Dieses Buch ist kaum auszuhalten.
Zuerst, weil es gesellschaftspolitisch so wahr ist:
Cancelculture, Gutmenschentum, Gesinnungsethik, Moralkeule, Shitstorms, Existenzvernichtung digital und realpolitisch, hyperbürokratisierte Totschlagpolitik, Machtlosigkeit des einzelnen……
Auf der anderen Seite das Persönliche. Ist der Leser wirklich der einzige, der spürt, dass diese Onlineliebe in der Realität ein Rohrkrepierer wäre? Wer von beiden Protagonisten (im Mantel des Guten) egoistischer ist, ist für den Leser eine schwere Entscheidung.
Interessant ist auch, wie das Thema der Verantwortung im Leben der/des
Helden*in/nen m/w/d ausgeblendet und der/die Leser*in m/w/d (oder wie auch immer) mit dieser Frage zwischen den Zeilen zurückgelassen wird.
Liebe “Heldin“ und Umfeld: I c h bin verantwortlich, wenn ich das Geld meines Mannes heimlich verschenke. Ich bin verantwortlich, ob ich mir Zeit für meine Familie nehmen will und ich bin verantwortlich für mein Handeln auf einer Demo. Ich bin verantwortlich, ob ich meinen Hof trotz Pleitegeier weiterführe.
Ich bin verantwortlich, wenn ich ein Darlehen annehme und verzocke und leider auch, wenn ich damit dann nicht mehr leben kann. Ich bin verantwortlich, ob ich eine Scheune anzünde, weil ich (als Trinker) entlassen wurde usw.
Leider können wir uns nicht auf das System herausreden, so defizitär und traurig es darum (und um unsere Politiker) auch oft bestellt sein mag.
Und der “Held“ der Geschichte? Wie könnte man so jemanden nennen? Einen Gesinnungslumpen, einen Wendehals im Gutmenschenmantel, eine Laberbacke oder einfach einen normalen
(“linksliberalen“) Glaskasten-Intellektuellen?
Genial, wie Zeh und Urban all das Menschliche und Unmenschliche miteinander verwursten. Und jeder muss sich ein stückweit an die eigene Nase fassen.