Habe das Buch soeben fertig gelesen. Was ich dazu meine? Kam mir die ganze Zeit wie ein Spielfilm vor - etwas, dass ich gar nicht mehr gewöhnt bin beim Lesen. Eine unvergessliche Protagonistin diese Elisabeth Zott? Nicht unbedingt, aber sie hebt sich doch als Hauptperson von vielen anderen ab. Ein raffinierter Plot mit Personal - samt Hundeschnauze! - das zeitgerecht war. Was mir fehlte? Die Atmosphäre! Ich habe eine Zeitreise erwartet aus den Jahren 1959-1962, und wurde bitter enttäuscht: Keine Kuba-Krise, kein JFK, keine Jackie, keine High Hopes, keine Schlagzeilen aus dem Showbiz ausser Frank Sinatra, der im Gegensatz zu Dean Martin - meinem Lieblingssänger! -, dessen Musik Calvin schätzte (und wohl auch die Autorin). Das versetzte mir einen leisen Schlag. Ok, hätte ich akzeptieren können, wenn sie mehr Politik, Gesellschaft und Wirtschaft eingebaut hätte. Diese “Deko” gehört für mich dazu, wenn schon etwas in den 1950ern spielt. Elisabeth, die Heldin, hatte das Zeug zu einer Suffragette, einer Emanze, war sie aber nicht; sie kam mir eher ultramodern vor, was kaum eine Frau in den 1950ern oder 1960ern sich getraut hätte, aber als Plot, in der Fantasie durchaus gelungen mit der Phrase “Was wäre wenn…”..
Eine Frau, der die 3 K’s wichtig sind: Karriere, Küche, Kinder - der Frau des 21.Jahrhunderts nicht unähnlich. Ein schwuler Bruder und selbstsüchtige Eltern - alles wie heute. Einen erfolgreichen Partner, der früh stirbt, sie aber beerbt - alles wie heute. Warum musste Calvin auch ein erfolgreicher Wissenschaftler sein, warum kein Autoverkäufer? Warum schienen ihre männlichen Kollegen/Chefs es nur auf Sex abgesehen zu haben? Unter Wissenschaftlern ist und war Neid und Eifersucht immer da, egal ob vor 100 Jahren oder jetzt, unabhängig vom Geschlecht. Kein besonders origineller Schachzug. Und schliesslich die gute Fee, Calvins verschollene Mutter, die zum Happy end führt. Nein, überzeugte mich nicht. Auch das siebenmalkluge Kind Madeline nicht. Wie kommt eine Vierjährige dazu, sich wie eine 14jährige zu verhalten? Ok, hochintelligente Kinder gab’s immer schon. Aber woher nimmt eine arbeitslose, alleinstehende Mutter so viel Geld, um die Tochter auf eine Privatschule zu schicken? Hätte es keine normale Schule sein können? Mich versöhnte allein der Hund Six-Thirty (Halbsieben). Kam mir aber vor, als ob sein Charakter den allzu früh verstorbenen Calvin ersetzte mit klugen Gedanken. Geniale Idee, einen Haushund, der ja auch ein Familienmitglied ist, zum stummen, starken und weisen Beobachter einzubauen. Hat mir gefallen.
Wo gibt’s denn das, dass eine TV-Köchin alles andere als Rezepte vorschlägt, dazu noch so hochgestochen? In jener Zeit hätten doch alle unisono - ob Mann oder Frau - den TV sofort ausgeschaltet. Die Story ist aber vom Plot her originell. Für jüngere Leser hört sich die Story plausibel an, wirft aber bei den Babyboomern Stirnrunzeln und Fragen auf, weil es so unrealistisch daherkommt. Erinnerte mich stark an einen Film aus den 1940ern (Apartment for Peggy), wo ein Professor die Ehefrauen seiner männlichen Studenten gratis in Philosophie unterrichtete, um sie aus der Monotonie als Ehefrau und Mutter herauszuholen, ihren Ehrgeiz und ihr Wissen schürte.
Fazit: Ein Buch, das man gern noch einmal liest, aber eben nicht erwarten darf, dass da die Fiftys und Sixties Revue passieren. Buch fängt romantisch an, wird sachlich und endet märchenhaft - lesenswert zwar, aber voller Klischees. Nicht ganz mein Ding, obwohl es ja auf der Bestsellerliste steht.