Wie wird aus einem erfolgreichen Anwalt ein Friedhofsgärtner? Im Fall von Paul Blom, dem neuen Ermittler von Gabriela Kasperski, spielen der Zufall und ein grosser Verlust dabei entscheidende Rollen.
Mehr als sechs Jahre ist es her, dass Paul Blom und seine Ex-Frau ihre ungeborene Tochter, Milu, in der 21. Schwangerschaftswoche verloren. Er macht weiter seinen Job als Anwalt mit Spezialisierung Erbschaftsrecht in seiner Kanzlei in Zürich, aber er ist längst nicht mehr mit Herzblut dabei. Da ruft ihn ein Freund aus Kindheitstagen aus London an. Es geht um zerstörte Dokumente, eine aufgebrachte Klientin, dubiose Zahlungen in Zürich, drei sagenumwobene Goldbarren und eine Spur, die zu Friedhöfen und Mausoleen führt.
Gabriela Kasperski schreibt als allwissende Erzählerin abwechselnd aus Sicht von Paul Blom und der knapp halb so alten Podcasterin und Historikerin Ruby Kosa. Paul ist still, in sich gekehrt, wirkt verloren und erschöpft, bis er auf dem Friedhof zu ermitteln beginnt und sich als Praktikant ausgibt. Es fühlt sich beinah wie eine Fügung für ihn an. Die quirlige Ruby Kosa hingegen ist das Gegenteil von Paul: Sie sprüht vor Leben, Tatendrang und Energie. Aufgrund ihres Aussehens wird sie oft für jünger gehalten als sie ist und entsprechend unterschätzt. Sie ist intelligent, belesen und bringt einige 007- bzw. Indiana-Jones-Qualitäten mit sich. Geboren wurde sie in Polen, aufgewachsen ist sie in London, zuletzt war sie wegen des Studiums in Passau, ansonsten schränkt ihre finanzielle Lage sie jedoch stark ein.
Wegen Rubys sprachlichem Hintergrund – Pauls ist zudem zur Hälfte Ire und zur anderen Hälfte Tessiner – fliessen immer wieder englische Ausdrücke in die Erzählung ein, die uns möglicherweise auch verorten sollen. Notwendig wäre das vermutlich nicht gewesen. Toll sind hingegen die vielen polnischen Sprichwörter, die Rubys Mutter im Verlauf von Rubys Leben bereits von sich gegeben hat und die den Charakter der Figur prägen.
Es sind die beiden Hauptfiguren, die an dieser Geschichte so begeistern und mich schon jetzt gespannt auf die Fortsetzung warten lassen. Das Rätsel um die Goldbarren lässt uns zwischen London und Zürich hin- und herpendeln. Mit grossem Vergnügen habe ich verfolgt, wie sich Rubys und Pauls Wege aufeinander zu bewegen und habe mit ihnen überlegt, ob und wo die Goldbarren versteckt sind und wer im Hintergrund die Fäden zieht. Es gab überraschende Wendungen und auch wenn ich einen Teil der Auflösung vermutet habe, hielt diese doch noch unerwartete Details bereit. Ich habe zwar immer noch nicht ganz verstanden, warum Paul Blom involviert wurde, aber ich bin froh, dass dem so war :-)
Fazit: Ein gut und rasant erzählter, fesselnder Krimiauftakt aus Zürich, ohne Mord, dafür mit einem spannenden Erbschaftsrätsel und sympathischem Personal. Bitte mehr davon.