«Jetzt, wo mein Vater mich abgeliefert und sich satt gegessen hat, ist er ganz wild auf seinen Tabak, sich eine Kippe anzuzünden und wegzukommen.»
Weil die Mutter wieder schwanger, das Geld und die Zeit knapp sind, liefert ein Vater seine kleine Tochter bei Verwandten ab, wo sie für eine Zeit bleiben soll. Plötzlich sieht sich das Kind mit Menschen konfrontiert, die sich um es kümmern, die Liebe zu geben haben.
«Dauernd warte ich darauf, dass etwas passiert, dass die Leichtigkeit, die ich verspüre, endet… aber jeder Tag ist fast wie der vorhergehende.»
Sie kann sich kaum auf all das Schöne einlassen, verbietet anfänglich sogar, es zu geniessen und geht dann doch im neuen Leben auf, das nicht von Kälte, Schmutz und Angst geprägt ist – höchstens der Angst, wieder zurückzumüssen.
Gedanken zum Buch
Claire Keegan hat eine kleine, feine, zärtliche Geschichte voller Wärme geschrieben. «Das dritte Licht» erzählt von einem Mädchen, das lernt, was Familie, was Liebe bedeuten, wie leicht das Leben sein kann. Dies geschieht in einer klaren, präzisen Sprache voller Poesie, in der jedes Wort am richtigen Platz sitzt, keines zu viel scheint, die dadurch eine Intensität entwickelt und den Leser in die beschriebene Welt und in eigene Gefühlswelten eintauchen lässt.
«Mir fallen einfach keine Wörter ein, aber das hier ist ein neuer Ort, und ich brauche neue Wörter.»
Man könnte dem Buch den Vorwurf machen, dass die dem Mädchen zugeschriebenen Gedanken zu erwachsen sind für ein kleines Kind, dass die Art und Weise zu denken nicht zu dem ansonsten doch sehr kindlichen Wesen passen. Keegan nutzt dieses Mittel aber wohl bewusst, um ohne viele Erklärungen und Beschreibungen die (wohl eher unbewusste) Innenwelt des Mädchens zugänglich zu machen. Es sind zudem Gedanken, die zum eigenen Reflektieren anregen, Sätze, die man nach der Lektüre des Buches mitnimmt.
«Ich stecke in einer Zwickmühle, wo ich weder die sein kann, die ich immer bin, noch zu der werden kann, die ich sein könnte.»
Frei nach Nietzsches «Werde, der du bist» steckt hier die Frage nach dem eigenen Sein drin. Das bisherige Umfeld hat das Mädchen geprägt, hat sie zu etwas gemacht, das sie ist, weil sie sich an diese Umwelt angepasst hat, eine Umgebung, die ihr viele Möglichkeiten verwehrt hat. Im neuen Umfeld bieten sich neue Möglichkeiten des Seins. Die Frage, die sich stellt, ist nur: Kann sich das Mädchen darauf einlassen? Wäre dieses Einlassen nicht ein Verrat an den eigenen Eltern? Und: Was, wenn sie wieder zurückmuss? Wie wirkt die alte, beengte, freud- und lieblose Umgebung auf sie, nachdem sie gelernt hat, was Liebe und Familie bedeuten können?
Fazit
Die Geschichte eines Mädchens, das lernt, was Familie und Zugehörigkeit bedeuten, ein Buch voller Wärme und Poesie.