«Das erste Geheimnis über mich, das ich ihnen verraten muss: Ich bin kein sehr ordentlicher Mensch… Das zweite Geheimnis über mich: Ich bin kein uneitler Mensch. Ich habe mein ganzes Leben versucht, der Welt ein bestimmtes Bild von mir zu vermitteln. Ihre Aufgabe besteht darin, dieses auch für die Nachwelt zu bewahren.»
Tom, ein junger Jurist, wird vom Altnationalrat Dr. Stotz, seine Lebenserwartung beträgt noch ein Jahr, beauftragt, seine noch vorhandenen Dokumente zu ordnen und durch gezielte Selektion nur das zu bewahren, das dem Bild entspricht, das Dr. Stotz hinterlassen möchte.
„Das dritte Geheimnis ist für sie bereits keines mehr: ich bin ein geschwätziger alter Mann.“
In der gemeinsamen Zeit erzählt Dr. Stotz Tom von seiner grossen Liebe Melody, die eines Tages, kurz vor der Hochzeit, einfach verschwunden ist, ihn aber ein Leben lang nicht mehr losgelassen hat. Nach Stotz’ Tod macht sich Tom mit Laura, der Grossnichte von Dr. Stotz auf der Suche nach der Wahrheit um die Geschichte mit Melody. Was ist wirklich passiert damals?
Gedanken zum Buch
„Sind Geschichten nicht immer erfunden? Spielt es eine Rolle, ob sie Wahrheit oder Fiktion sind?“
Ein sterbenskranker Mann schaut auf sein Leben zurück und auf das, was dieses Leben massgeblich geprägt hat neben seinem Erfolg: Seine Liebe zu Melody, der Frau, die er heiraten wollte und die eines Morgens einfach weg war. Er erzählt die Geschichte des Kennenlernens, die Schwierigkeiten, die sich durch ihren islamischen Hintergrund ergaben, und die seiner lebenslangen Suche nach Melody. Es ist eine traurige Geschichte, die dem alten Mann sichtlich nah geht. Ein gelebtes Leben. Ein erzähltes Leben. Was ist Wahrheit, was Fiktion? Wo hört das eine an und fängt das andere an?
„Wo die Unwahrheit es sich bequem gemacht hat, bringt Wahrheit nur Unruhe.“
Und auch eines, das die Frage hinterlässt, ob eine Unwahrheit nicht auch besser sein kann in gewissen Fällen, als die Wahrheit zu kennen.
Das Buch lebt von seinen authentischen Figuren, von der klaren, fliessenden Sprache, von der leichten Stimmung, die durch die Zeilen weht und beim Lesen ein gutes Gefühl hinterlässt. Und dies, obwohl Krankheit, Alter und Tod ein sehr zentrales Thema sind. Martin Suter gelingt es, trotz der Präsenz des angekündigten und eintretenden Todes, die Erzählung nie schwer oder bedrückend werden zu lassen.
Es gelingt Martin Suter ebenfalls, von Anfang an eine Spannung aufzubauen, die bis am Schluss nicht aufhört. Es stehen Fragen im Raum, deren Antworten man kennen will. Der Leser wird von seiner Neugier von Seite zu Seite geleitet und lässt das Buch nicht eher ruhen, bis er die Wahrheit kennt – wenn es sie denn gibt.
Fazit
Ein wunderbar leichtes, flüssig geschriebenes Buch mit stimmigen Charakteren und einem guten Mass an Spannung, die einen nicht loslässt bis zum Schluss.