Der «Feind» befasst sich mit den aktuellen Themen «LGBT» und «Incel». Wobei letzteres die Gewalt gegen Frauen sogenannte «Incel» im Fokus steht. Der Begriff “Incel” ist eine Abkürzung für “involuntary celibate” (zu Deutsch: unfreiwillig zölibatär). Er bezieht sich auf eine Subkultur oder Online-Gemeinschaft von überwiegend männlichen Personen, die sich selbst als unfreiwillig sexuell enthaltsam betrachten und häufig Frustration, Verbitterung und sogar Feindseligkeit gegenüber Frauen äußern.
Im Nachwort schreibt Christine Brand, dass am Anfang ein Artikel des Onlineportals des NDR: «Zerrwelt der Frauenhasser – wie die Incel-Szene an Bedeutung gewinnt und wie gefährlich sie ist». Dies hat sie motiviert, vertieft zu diesem Thema zu recherchieren und darüber einen Kriminalroman zu schreiben.
Zurück zum Buch. Alles beginnt mit einem Attentat in der Berner Reitschule auf einen Event von Frauen. Ist es eine Gruppe gewaltbereiter Personen aus der «Incel-Szene» mit fatalen Auswirkungen? Doch parallel dazu finden Mordanschläge auf Männern mit speziellen Hintergründen statt. Gibt es da einen Zusammenhang?
Ein zur Aufdeckung zusammengestelltes Ermittlerteam operiert zwar professionell, aber einige Exponentinnen und Exponenten haben ihre Emotionen nicht im Griff und handeln deshalb unprofessionell. Diese verständlichen Reaktionen verhindern einen geordneten Ablauf, verursachen dafür zusätzliche Spannung.
Zwei kleine Kritikpunkte möchte ich anbringen. Es wäre mit Bestimmtheit möglich gewesen, die Geschichte auf weniger Seiten zu bringen. Für mich ist es zudem störend, dass allzu oft Szenenwechsel eingeschoben werden mit der Bemerkung: «Gleichzeitig», «zur selben Zeit» oder «als x etwas macht, macht y jenes». Das bringt etwas Dynamik in den Ablauf, der über 600 Seiten wirkt, jedoch etwas «aufgesetzt».
Zum Cover: Eine gut gewählte Assoziation. Das Cover zeigt ein sehr schmales Haus in einer nächtlichen, düsteren Umgebung. Durch das Fenster nehmen wir einen brennenden Innenraum oder Vorhang wahr. Kurz: Man bewegt sich auf einem schmalen, gefährlichen Grad bei diesem Thema.
Zitate aus dem Buch: «Ein Krimi kann uns schonungslos einen Spiegel vorhalten, indem er aktuelle Themen aufgreift ….»Ich übertreibe nicht, wenn ich hier erzähle, dass mir mehr als einmal schlecht wurde während meiner Recherche.
Fazit: Es ist kein Krimi für schwache Nerven. Christine Brand gelingt es, ein äusserst schwieriges Thema in einen spannenden Kriminalroman zu verpacken der zum Nachdenken anregt.