Es ist die Geschichte von Kya Clark, die im Marschland aufwächst und als kleines Kind verlassen wird - bis ins Erwachsenenalter. Erst verlässt die Mutter die Familie, anschliessend gehen die meisten Geschwister und schliesslich ihr am nahestehendster Bruder. Und viel später auch der gewalttätige, alkoholkranke Vater. Sie schlägt sich ganz allein durch in der Wildnis, kratzt Muscheln zusammen, die sie verkauft, um das Nötigste für ihren Lebensunterhalt zusammenzubringen und ihre besten Freunde sind die Vögel, allen voran die Möwen.
Sie ist scheu, fürchtet die Menschen. Es ist ein Buch über Einsamkeit, Vorurteile, Rassismus und auch über die Möglichkeit von Heilung. Kya erlebt Liebe, wird enttäuscht und kann, auch dank einiger guten Erfahrungen mit Menschen, die sich nicht von ihr abwenden und ihr Gutes tun, ein Zutrauen finden, zu anderen, die sich aber beweisen müssen.
Gleichzeitig geht es auch um einen Mord und um dessen Aufklärung. Dies ist allerdings reine Handlung und unterstützt den inhaltlichen Schwerpunkt.
Das Buch ist auch eine wunderbare Schilderung von Natur. Die Atmosphäre in der von Menschen nahezu unberührten Umgebung ist faszinierend und hüllt einen ein. Die Erlebnisse schmerzen förmlich und immer wieder erlebt man die heilsame Wirkung der Natur mit. Das Buch regt zum Nachdenken an über Vorurteile und auch über das Verhältnis zur Natur.
Teilweise war es mir etwas zu viel an Dramatischem. Oftmals war das Geschehen vorhersehbar und immer wieder gab es auch Überraschungen. Das Ende hätte ich so nicht erwartet. Für mich persönlich hätte es aber auch offen bleiben können, ohne das letzte Kapitel.
Den Schreibstil habe ich angemessen gefunden. Nicht hochstilisiert, angenehm. Spannend, gute Sprache - eine Kunst, die Atmosphäre herüberzubringen, so dass ich die Bilder im Kopf hatte und immer noch mit mir trage.
Ich hätte das Buch doch nicht weglegen mögen, es hat mich sehr oft tief berührt und ich habe es im Nu weggelesen.
“Sie (Kya) tanzte zwischen den bleichen Flügeln der Eintagsfliegen, schwebte über den hellen Mondschlamm.”
"Sie wusste, dass ihre Trauer nicht Chase galt, sondern einem Leben, das von Ablehnung geprägt war. Während über ihr Himmel und Wolken miteinander rangen, sagte sie laut: “Ich muss mein Leben allein leben. Aber das habe ich ja gewusst. Ich weiss schon lange, dass Menschen nicht bleiben.”
“Gesichter verändern sich durch den Tribut, den das Leben fordert, aber Augen bleiben ein Fenster zu dem, was war, und sie konnte ihn darin sehen.”