Ein neuerer Klassiker - wohlbemerkt aus den 1950ern! - für deutsche Maturanten. Darauf stiess ich, weil sich eine schwarze deutsche Lehrerin negativ dazu äusserte und damit das Buch zu einer Art negativer PR verhalf. Also war ich gespannt, was dieser Frau so negativ aufschlug. Konnte ich nicht entdecken; für mich war das die Retrospektive des Nachkriegsdeutschland, das noch in Trümmern lag. Ein Tag im Leben von unterschiedlichen Personen. Auf der einen Seite die Deutschen, die aus dem schreibmüden (oder -faule) Schriftsteller Philip und seiner naiven, weltfremden, hochwohlgeborenen, vom Vermögen ihrer Vorfahren lebenden Frau Emilia besteht, dann aus der Familie Behrend, wo der Vater schon früh Frau und Tochter Carla verliess, um im Ausland bei einer Jüngeren sein Glück zu finden. Carla blieb vom verschollenem Mann nur der 10jährige Sohn Heinz, der sich herumtreibt. Dazu gesellen sich ein Psychiater, ein Hausarzt, ein Chemiker und einfache Leute bis zum Dienstmann, der am Ende zum tragischen Helden wird. Schliesslich kommt noch ein Schauspielerpaar mit Töchterchen und Nanny (alter Schule) vor, die sich ein neues Drehbuch vom Schriftsteller erhoffen. Auf der anderen Seite stehen die Amerikaner, Besatzer, Touristen. Diese werden unterteilt einerseits in weisse Familienangehörige und Intellektuelle, andererseits in schwarze Besatzer, mit denen sich die Deutschen arrangieren müssen. Diese fallen negativ auf mit ihrer Musik und ihrer Körperlichkeit, der auch Carla verfällt. Diese realisiert zu spät, dass sie schwanger ist und will das Baby loswerden, wird von Nachbarn und Mutter verachtet deswegen. Dann ist da noch ein anderer sanfter Schwarzer, der einen Dienstmann sein Kofferradio tragen lässt und fast von einem Mob gelyncht wird und von einer Prostituierten gerettet wird. Den Amis ist Deutschland zu kalt, zu intolerant, zu lieblos, zu grau; sie sehnen sich nach dem toleranteren bunten Paris, Frankreich. Die Erzählweise ist/war etwas gewöhnungsbedürftig: Jede Seite besteht aus mehreren Sätzen, die wiederum mit Semikola (Punktstrich) noch und nöcher abgetrennt werden (eine neue Art Schachtelsatz), so dass man hin und wieder den Faden verliert. Hat man sich daran gewöhnt, wächst die Spannung, wie es weitergeht. Gemäss Literaturlexikon sei das, “eine Art filmische Technik, Szenen, Menschen und Nachkriegsschicksale darzustellen” an einem Tag in München. Es fehlen auch richtige Kapitel; grössere Absätze lassen Luft holen und darauf gespannt sein, wie das Schicksal des einen oder anderen Protagonisten weitergeht. Das Nachkriegsdeutschland kenne ich aus den Erzählungen meiner Eltern; also war für mich nichts neu. Aber ich frage mich, was die Experten damit von den Maturanten wollen. Wollen Sie die Konsumgesellschaft anprangern, die Igno- und die Arroganz oder die jungen Leute für die Wirklichkeit vorbereiten? Oder den Bezug zur Migration und den Kriegen der Neuzeit? Oder einfach, dass Scheitern zum Leben gehört? Schliesslich gehört der Roman zur “Trilogie des Scheiterns”. Eine schwer verdauliche Lektüre also. Der Titel ist der Mäzenin und Schriftstellerin Gertrude Stein entlehnt, warum auch immer. Aber Tauben kommen bei Koeppen kaum vor, eher Spatzen.