Wenn dieses gut zu lesende Buch eines klar macht, dann dass die Angehörigen des englischen Königshauses nicht in einem goldenen Käfig leben sondern vogelfrei sind. Hineingeboren in diese (völlig überflüssige) Monarchie, hat man das Spiel zwischen Palast und Volk respektive Presse mitzuspielen sonst wird man gestalkt, verleumdet, körperlich bedrängt, psychisch vernichtet. Man begibt sich de facto sämtlicher Persönlichkeitsrechte, weil wer auch immer befindet, dass das der Preis sei, der dafür zu zahlen ist. Wofür, fragt Harry zurecht in seiner Biografie. Er hat es sich nicht ausgesucht, Sohn eines künftigen Thronfolgers zu sein, ob ihm der Prunk der Schlösser, der Uniformen gefallen, bleibt unklar. Jedenfalls scheint er in bescheidenen Verhältnissen, in denen er auch am Hofe schon wohnen musste, nicht unzufrieden zu sein.
Ist den Kritikern eigentlich klar, wasses bedeutet von Kindheit an nie alleine zu sein, weil immer deine Bodyguards um dich herum sind? Die alles von dir wissen - während du nicht weißt, ob du ihnen vertrauen kannst, weil sie ja jederzeit für ein Zubrot der Presse was stecken können? Nein, das deutet Harry nicht an, aber es liegt ja auf der Hand, dass dem so ist.
Hat sich jemand überlegt, wie es ist als 30jähriger vom Wohlwollen und Scheckheft seines Vaters abhängig zu sein, weil man ja keinen eigenen Beruf erlernt hat, erlernen konnte, einen solchen nie ausüben könnte und es am Hof keinen eigenen Etat für die Enkel der Queen gibt?
So kann dann der liebevolle Vater auch einfach den Geldhahn zudrehen, das Sicherheitspersonal (6 Mio im Jahr) abziehen und dem Sohn das Messer auf die Brust setzen…
… und die Öffentlichkeit hat nichts anderes zu tun als es schändlich zu finden, dass Harry mit seiner Familiengeschichte Geld verdient.
Das Buch ist weniger eine Abrechnung mit der Familie als mit der Presse. Und diese geschieht zu recht, auch wenn er das Spiel nicht wird gewinnen können. Der Vorwurf an die Familie lautet, dass man ihn und Meghan den Medien zum Fraß vorgeworfen hat, um selbst in Ruhe gelassen zu werden. Das ist schäbig und dass man das Bedürfnis verspürt, endlich mal eine Gegendarstellung zu lancieren ist mehr als verständlich.
Warum gilt die Würde des Menschen nicht mehr für einen, der für seine Situation nichts kann und keine Chance hat, ihr zu entfliehen? Nur weil es ein gutes Geschäft ist?
Die Presse gehört in Umsetzung der europäischen Menschenrechte stark reguliert. Kein Recht mehr auf Veröffentlichung von Privaten, strenge Strafen und vor allem Schadensersatzzahlungen für Verletzung der Privatsphäre für Hausfriedensbruch und das, was normalerweise als Stalking eben ohnehin unter Strafe stünde. Öffentliche Termine können begleitet werden - privat ist privat auch für Royals - Hochzeiten und Beerdigungen und große Geburtstage einmal abgesehen.
Was man mit seiner Frau veranstaltet hat ist unmenschlich, verbrecherisch. Warum muss jemand das ertragen, weil er den Menschen geheiratet hat oder auch nur mit ihm zusammen ist, den er liebt.?
Will man tatsächlich jemand in den Tod treiben? Natürlich - gäbe ja wieder prima Schlagzeilen!
Das Buch ist sehr offen und ehrlich geschrieben. Harry schont sich nicht und deshalb ist er glaubwürdig.
Nach der Netflix-Serie ist es ein weiteres Augenöffnen für an sich untragbare Zustände. Wenn das der Preis für die Monarchie ist, gehört sie dringend abgeschafft.
Ich habe das Buch verschlungen - und ich war bis vor wenigen Wochen noch gar nicht an der königlichen Familie interessiert - aber natürlich scheininformiert, weil man ja den Berichten über sie kaum auskommt. Gut mal etwas aus der Sicht eines Betroffenen zu erfahren.