Inhalt
Dora, 36, Werbetexterin, kinderlos, lebt mit ihrem Freund Robert, ebenfalls Mitte dreissig, Journalist, in Berlin. Es ist das Jahr 2020, Pandemie, Lockdown.
Robert hat die Neigung, sich sehr absolut in ein Thema zu verbeissen. Der Klimawandel bewegt dazu, eine sehr strikte Ernährung einzuhalten, Abfalltrennung, Fridays for future - alles ok, nur ein wenig too much auch in der Haltung anderer Meinungen und Haltungen gegenüber. Mit Corona ist es dann die Pandemie und das mindestens buchstabengenaue Einhalten der Massnahmen die Intoleranz allem gegenüber, das nicht genau seiner Meinung entspricht.
Dora “flüchtet”, kauft sich ein Grundstück mit Haus in einem sehr abgelegenen Ort. Dank Homeoffice kann sie von da aus arbeiten, fängt an, das Grundstück nutzbar zu machen. Die Menschen hier sind so anders als jene in der Stadt. Nicht dass sie mit ihrer Meinung über einander zurückhaltend sind - aber jeder ist, wie er ist. Dora macht Bekanntschaft mit ihrem Nachbarn, dem geschiedenen, “rechten” Gote und dessen Tochter. Seine Äusserungen bringen ihre Magenbläschen in Aufruhr. Jeder hier hat seine Eigenheiten. Es ist spannend.
Dora ist vor der Gemeinschaft geflüchtet und findet hier eine ganz neue Gemeinschaft.
Eine Gesellschaftsstudie, die sehr spannend zu lesen ist - locker geschrieben und doch mit Tiefgang, mit Witz und mit Traurigem.
Thema
Die Gesellschaft in unseren Breitengraden, wie wir uns vorstellen, dass es sein müsste, wie unterschiedlich die Wirklichkeit gesehen wird und daneben Gemeinschaft, Freundschaft, Familie, etwas Schaffen.
Erzählstil
Juli Zeh hat einen guten, flüssigen Schreibstil. Das Buch liest sich angenehm und leicht, obwohl viel Tiefe darin ist. Es hat viel Ernst und ist doch immer wieder witzig - dort, wo es möglich ist. Die Sprache habe ich immer als gut und der geschilderten Begebenheit entsprechend empfunden. Die Geschichte ist gut und schlüssig aufgebaut, ohne sehr vorhersehbar zu sein, die Spannungsbögen passen ausgezeichnet. Die Kapiteltitel sind speziell, immer bezeichnend.
Eine Leseempfehlung. Es wird nicht mein letztes Buch von dieser Autorin gewesen sein.
- Es gelingt ihr einfach nicht, eine Haltung zu finden. Vielleicht, denkt Dora, ist das Einnehmen von Haltungen nur so lange richtig und wichtig, wie man die Dinge aus sicherer Distanz betrachtet.
- Dora folgt einer Unterhaltung über die Qualität der neuesten Mähroboter und denkt, wie wenig Polarisierung es in Wahrheit gibt.