Sarah Neef ist gehörlos - und bewegt sich doch ganz ‘normal’ in der Welt der Hörenden. Mit viel Engagement und vor allem mit der grossartigen Unterstützung der Eltern, lernt sie die ‘lautsprachliche Kommunikation’ (Lippenlesen) und das sogar in verschiedenen Sprachen (5!). Sie tanzt Ballett, spielt Klavier, besucht die Regelschule - und kämpft, kämpft um ihren Platz in der Welt der Hörenden - und immer wieder auch gegen Ignoranz, Arroganz, Vorurteile und Fehlinformationen.
Dass selbst die Gehörlosen sich in zwei Lager teilen, und sich teilweise sogar bekämpfen (lautsprachlich und gebärdend kommunizierend) ist dabei tragisch - und tut weh - genauso, wie die Ablehnung auf die Neef immer wieder stösst - vor allem während der Oberstufenzeit bis zum Abitur - und das nicht nur von Mitschülern, sondern sogar von Lehrern.
Doch Sarah Neef gibt nicht auf - straft alle Lügen, die glauben, dass sie nicht im ‘normalen’ Leben bestehen kann und studiert Psychologie. Welchen Schwierigkeiten sie immer wieder begegnet, öffnen einem die Augen für eine Realität, die man sich so nicht vorstellen kann. Mir war nicht bewusst, welch Hürdenlauf ein Leben sein kann!
Das Buch ist SEHR zu empfehlen - es macht bescheiden - und was Neef wichtig ist: es sensibilisiert für die Anliegen und Lebensweise gehörloser Mitmenschen.
Bei allen Vorwürfen und Anklagen, die sie formuliert, geht es ihr nicht um Mitleid. Was sie will, ist zu zeigen, WAS Gehörlosigkeit bedeutet und wie ein Miteinander zu einer Selbstverständlichkeit werden kann. Dabei ist sie sich bewusst, dass sie immer an Grenzen stossen wird - selbst wenn sie deren viele schon ausgereizt und gesprengt hat, werden welche immer bleiben (z.B.: telefonieren ist und bleibt unmöglich). Sie hat ihr Ja zu ihrer Lebensweise gefunden - und das drückt sie auch aus:
Eine Behinderung ist so hinderlich, wie man sie selber sieht.
Und ganz am Schluss: Aber - so unglaublich es auch klingen mag - ich möchte meine Taubheit nicht mehr hergeben. Sie ist ein fester Bestandteil meines Selbst, ein ureigenes Stück meiner Persönlichkeit, ein Charakteristikum meiner unverwechselbaren Individualität.
P.S.: Übrigens war es Susann Schmid-Giovannini, die in Meggen Audiopädagogen ausbildete und Kurse für Kinder anbot, die sie in die Lautsprache einführte und die Eltern dabei unterstützte. Zudem war es in der Schweiz, wo Sarah Neef positive Praktikastellen bekam - daher auch das ‘Schweizweit’ in der Rubrik.