Die Geschichte einer nur scheinbar unscheinbaren Frau nimmt einen durch die unaufgeregt Art und durch die Gedankenwelt dieser Frau mit. Jolie ist 43 Jahre alt, selbständig erwerbende Schneiderin, Mutter einer erwachsenen Tochter und lebt als Single.
Die Autorin nimmt einen mit in den Kopf von Jolie, die nachdenkt über die über die Menschen, mit denen sie zu tun hat, über ihre Geschwister, ihre Mutter, den Vater, die Familiengeschichte und über ihre Kunden. Die Gedanken sind sehr ehrlich und nicht immer freundlich. Sie ist froh, dass Gedanken nicht gesehen werden können und findet das einen kühnen Dreh des Erfinders. Auf manches geht sie eher ausschweifend ein und anderes wird nur ganz knapp “angedacht”. Wie die Gedankenwelt halt so ist.
Wirklich gern hat sie nur Maxi und wohl auch ihren Bruder Franz, der verstorben ist, als sie 11 Jahre alt war.
Die Schwerpunkte im Roman sind die Familie, Franz und das Geburtstagsfest anlässlich des 80. Geburtstags der Eltern, das sie für die Eltern und die Geschwister samt Anhang organisiert.
Die Gedankenwelt ist vielschichtig - die nette, zuvorkommende Jolie, die schlecht nein sagen kann hat, zeigt auch eine andere Seite. U.a. sind es Lügen, in denen sie auch versinkt und die sie einholen können.
Etwa ab der Hälfte des Buches gibt es eine Wendung. Die Gedanken erhalten eine neue Färbung und es scheint mir, als ob Jolies Wahrnehmungen nicht mehr immer ganz in der Realität sind. Es ist mir bis zum Ende des Buches nicht klar, wie sich das verhält und das Ende hat mich etwas hilflos zurückgelassen - derart offen und mit lauter Fragen. Es ist sehr ungewohnt und auch das Buch ist in seiner Art, in der Erzählweise speziell. Wie es der Autorin gelingt, zu erzählen, so wie die Gedanken sind, fasziniert mich. Die Sprache ist passend. Absolut kein 08:15 Werk und ich möchte nicht missen, es gelesen zu haben.
- “Jolie versucht, ohne Gedanken zu sein. Es geht nicht, sie kommen wie Wespen zum Nest”.
- “Aprikose ist ein zärtliches Wort.”
- “Verweinte Gesichter kann Jolie nicht aushalten, weil der Schmerz darauf liegen bleibt, statt dass er endlich verschwindet.”
- “Wir haben uns lange nicht gesehen oder haben einander überhaupt nie gesehen und können einander nach dem Essen mühelos vergessen, denn Mutter wird uns zeigen, wie man das macht.”