Juli Zeh versetzt uns mit ihrer Geschichte nur kurze Zeit in die Vergangenheit zurück. Ihre Protagonistin Dora begegnet so ziemlich allem, mit dem wir in den vergangenen fast drei Jahren konfrontiert wurden und bringt es wunderbar sprachlich auf den Punkt.
Zur Geschichte: Dora flüchtet im ersten Lockdown aus der Grossstadt Berlin und ihrer Partnerschaft aufs Land. Bracken in Brandenburg wird ihr neues Zuhause. Sehr schnell wird sie mit den ländlichen Denkmustern konfrontiert, da sich der Dorfnazi direkt als solcher bei ihr vorstellt. Aber auch die anderen Nachbarn pflegen einen kaum verhohlenen Alltagsrassismus. Es macht sie wütend, gleichwohl schafft (und will) sie sich nicht offen den Diskussionen stellen, bezeichnet das Fehlen ihrer Reaktion Rassismusstarre. Und doch taucht sie langsam in die Dorfgemeinschaft ein, lässt sich auf die Menschen dort ein.
Doras Weg greift all die aktuellen Themen auf, angefangen bei ihrem Partner, der als überzeugter Klimaaktivist alle Rationalität über Bord wirft und sich moralisch über die Menschen stellt. Der allgemeine Weg der Nachhaltigkeit, der in die Werbewelt Einzug hält. Und Corona. Die Situationen sind so nah wie bizarr; die Panik, das Abstandhalten, Jogger, die angefeindet werden. Hamsterkäufe. Systemrelevanz. Die Medien, die gar kein anderes Thema mehr haben. COVID hat uns viele neue Wörter gebracht und die Autorin webt sie alle in ihre Erzählung ein. Und ihre Heldin zeigt uns, dass Schubladen nicht ausreichen, um Menschen zu verstehen, sondern Herz - und vielleicht nicht alles zu ernst zu nehmen und Dinge einfach geschehen zu lassen.