Kristín Marja Baldursdóttir habe ich beim Stöbern im Buchhandel in Aarau entdeckt. Vor allem angesprochen hat mich das Cover, ein Foto mit einer Frau, die auf einem grossen Steinbrocken vor dem Meer steht. Das Foto ist in Grauschattierungen gehalten und es wird einem ein bisschen kalt und wehmütig beim Betrachten des Covers. Genauso ist auch die Geschichte, man muss der/dem IllustratorIn schon beinahe ein Kränzchen winden. Hier bekommt man, was einem auf dem Buchdeckel bildlich versprochen wurde!
Die Geschichte
Die Geschichte dreht sich um Karitas und erzählt deren Lebensweg von der Kindheit bis ins Erwachsenen-Alter. Karitas lebt mit ihren fünf Geschwistern bei der Mutter in Island. Das Leben um 1900 ist schwer und hart, besonders für eine Witwe mit Kindern. Um sich und ihre Familie zu ernähren und den Kindern eine schulische Bildung zu ermöglichen, wagt Karitas Mutter Steinunn Olafsdóttir den Schritt und verlässt die Region der kargen Westfjorde, um mit ihren Kindern Arbeit in Akureyri zu finden. Hier arbeiten alle in der Fischfabrik, während Karitas das Haus hütet. Karitas ist eine sensible Person und ihr grösster Wunsch ist es, Malerin zu werden. Um dieses Ziel zu verwirklichen, muss sie einen nicht gerade leicht begehbaren Weg einschlagen. Als sie später dann den schönen Sigmar heiratet und sich ihr Leben auf einmal in der Abgeschiedenheit einer Hütte im Nirgendwo abspielt, bricht für die künstlerisch ambitionierte Malerin Karitas eine Welt zusammen. Auch die Kinder, die sie gebärt, können die fragile Frau nicht ins Leben zurückholen. Wird Karitas an ihrem Schicksal zerbrechen?
Meine Meinung
Dieses Buch ist von bildgewaltiger Schönheit geprägt. Man liest sich ein und merkt schon nach dem ersten Kapitel, wie der Sog der Sagen und Mythen Islands Einzug hält. Das Buch hat eindeutig eine prägnante Eigendynamik: vom Schreibstil über die Geschichte, bis hin zu den Charakteren. Diese wachsen dem Leser über kurz oder lang unglaublich ans Herz. Zwischendurch habe ich mir gewünscht, auch eine Schwester zu haben, wie in Baldursdóttir’s Geschichte. Die Hauptprotagonistin Karitas wird liebevoll geschildert, sodass man eine ganz innige Beziehung zu diesem Charakter aufbauen kann. Das Thema der Rollenverteilung im Island des 20. Jahrhunderts als auch die Einblicke in den sozialen Status der Frauen zu dieser Zeit ist spannend beschrieben. Die Autorin erzeugt ein so lebendiges und beeindruckendes Bild, dass sie uns dazu bringt, zu glauben, dass wir selber in Island gelebt haben, auch wenn wir eigentlich noch nie dort waren. So echt und authentisch sind ihre Beschreibungen der Umwelt. Dieses Erlebnis hat mich am meisten beeindruckt und macht den Roman zu einem Lese-Erlebnis-Highlight. Das Buch ist zu keinem Zeitpunkt langweilig oder langatmig. Mit viel Feingefühl und einer Atmosphäre von ätherischer Schönheit ist für mich dieser Roman mitunter einer der Romane, welcher sich mühelos in die Riga meiner Lieblingsbücher eingereiht hat.
Fazit
Kristín Marja Baldursdóttir’s wunderschöne Roman ist eindeutig sehr empfehlenswert. Die Autorin beweist mit diesem Buch, dass sie eine grossartige Schriftstellerin ist. Das Buch nimmt den Leser mit in das Island um 1900. Wenn es schneit, spüren wir den Schnee. Wenn Karitas leidet, leiden wir mit. Ein Buch für grosse Gefühle und spannende Lesestunden.